Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- In Vergessenheit geraten
> Die Biografie des österreichischen Widerstandshelden Hans Becker
Kein Straßenname erinnert an ihn. Dabei war Hans Becker nicht nur eine der
schillerndsten Figuren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sondern
auch ein zentraler Akteur des österreichischen Widerstandes gegen die
Nazi-Herrschaft. Jedem in Österreich ist das Kürzel 05 bekannt, das gut
sichtbar an der Fassade des Wiener Stephansdoms prangt. Es steht für
Oesterreich (0 = O und 5 für den 5. Buchstaben im Alphabet, also E), das
damals als Ostmark im Deutschen Reich aufgegangen war. Dahinter stand eine
Verschwörertruppe, die sich im „Organisationsbüro“ zusammenfand, um die
Niederlage der Nationalsozialisten zu beschleunigen und die
Eigenstaatlichkeit Österreichs wiederherzustellen. Organisator war jener
Hans Becker, dessen Biografie der Journalist und Autor Erhard Stackl
nachzeichnet.
05 unterschied sich von anderen Widerstandsgruppen durch seine ideologische
und soziale Heterogenität. Da trafen sich Sozialisten und Kommunisten mit
Christlichsozialen und ehemaligen Unterstützern des Austrofaschismus. Ein
Gemüsehändler hatte da genauso seine Rolle wie eine portugiesische
Infantin, die unter dem Decknamen Mafalda operierte. Becker selbst hatte im
Propagandaapparat der Austrofaschisten gegen die Anschlussgelüste Hitlers
angekämpft und wurde deshalb gleich nach dem Einmarsch im März 1938
verhaftet, mit dem ersten „Prominententransport“ nach Dachau deportiert und
erst Ende 1940 entlassen. Unter Lebensgefahr entstand in den Lagerstraßen
der KZ Dachau und Mauthausen der Kern der Organisation um politische
Häftlinge, die mit Becker über eine Zeit nach dem Krieg nachdachten. Die
Gruppe verübte Sabotageakte, hortete Waffen für den Aufstand und lieferte
nachrichtendienstliche Informationen an die Briten. Zuletzt versuchte sie
die kampflose Einnahme Wiens durch die Rote Armee zu bewerkstelligen. Als
der Plan verraten wurde, landete Hans Becker kurz vor Kriegsende wieder im
KZ Mauthausen. Immerhin konnte aber verhindert werden, dass die Nazis auf
dem Rückzug verbrannte Erde hinterließen. Becker entging der Hinrichtung,
weil er dank seiner Netzwerke in der KZ-Krankenstation die Identität eines
gestorbenen französischen Kriegsgefangenen annehmen und bis zur Befreiung
am 1. Mai 1945 unter dem Schirm der Häscher bleiben konnte.
Das Buch erzählt die Geschichte des Multitalents von der Jugend in der
istrischen Hafenstadt Pola/Pula bis zum Tod durch einen Attentäter in der
österreichischen Gesandtschaft in Santiago de Chile 1948. Dazwischen lagen
Jahre in den Schützengräben, als Vermessungsingenieur und Hobby-Ethnologe
in Paraguay und Argentinien etc. Sein ruheloses Dasein machte ihn mit allen
politischen und künstlerischen Größen seiner Zeit bekannt. So verkehrte er
mit Alma Mahler-Werfel und dem Komponisten Erich Wolfgang Korngold.
Stackl stützt sich auf Dokumente aus dem Nachlass Beckers, Archive und eine
unveröffentlichte Biografie. Sein Buch liefert ein detailreiches Bild einer
Zeit voller Umbrüche und Widersprüche. Ralf Leonhard
29 Apr 2023
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.