# taz.de -- Umbruch Bildarchiv | |
> Seit 24 Jahren sind die FotografInnen des Umbruch-Archivs dabei, wenn es | |
> in der Welt auf die Straße geht | |
Die Lausitzer Straße 10 in Kreuzberg ist ein Ort politischer | |
Gegenöffentlichkeit. Viele linke Medienprojekte sind hier zu Hause: das | |
Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin, das unter dem | |
Namen „Apabiz“ bekannt ist, die Videowerkstatt „autofocus“, die unabhä… | |
produzierte Filme vertreibt, und der Medienverein „metroGap“, der sich auf | |
verschiedene Weise mit dem Lebensraum Stadt auseinandersetzt. Vor kurzem | |
ist das Videokollektiv „Leftvision“ hierher gezogen, das sich mit seinen | |
hochwertigen Clips einen Namen in Berlin gemacht hat. „Die Atmosphäre hier | |
ist toll. Man hilft sich gegenseitig, tauscht sich aus“, sagt Hermann, | |
Mitarbeiter des Vereins „Umbruch Bildarchiv“, dessen Büro sich ebenfalls in | |
der Lausitzer Straße 10 befindet. | |
Seit 24 Jahren sind die FotografInnen des Umbruch-Archivs dabei, wenn es in | |
der Welt auf die Straße geht. Sie dokumentierten die Castor-Proteste im | |
Wendland, den G-8-Gipfel in Heiligendamm und die erste revolutionäre | |
1.-Mai-Demonstration in Berlin 1988. Aber auch die Häuserbesetzungen in | |
Ostberlin, den Mauerfall und die Räumung der Mainzer Straße bannten sie auf | |
Zelluloid. Inzwischen umfasst die Sammlung des Archivs über 50.000 Fotos. | |
Das Besondere dabei ist, dass alle Bilder zur freien Verfügung stehen, sie | |
können auf der Seite des Archivs angeschaut und heruntergeladen werden. | |
„Unsere Fotos haben einen großen Wert. Es ist selbstverständlich, sie mit | |
allen zu teilen“, sagt Leh, Vorstandsmitglied des Vereins. | |
1988 wurde das Archiv gegründet als Reaktion auf die Flugblätter der | |
damaligen Zeit. In bester K-Gruppen-Manier bestanden diese damals fast | |
ausschließlich aus Text, auf Bilder wurde hingegen verzichtet. Entsprechend | |
lautete das Gründungsmotto: „Gegen die Unterbelichtung der linken | |
Bewegung“. Die GründerInnen von Umbruch wollten die Lebendigkeit der | |
AktivistInnen dokumentieren, über Fotos Licht ins Dunkel bringen. „Ein Bild | |
sagt mehr als tausend Worte“, sagt Hermann. | |
Der Fokus des Archivs liegt aber nicht nur auf Deutschland, auch mit dem | |
Geschehen in anderen Regionen der Welt setzt sich Umbruch auseinander. Mit | |
dem Spanier Olmo Calvo Rodriguez erstellte der Verein eine Fotoserie über | |
die „Cartoneros“ von Buenos Aires. Cartoneros sind Menschen, die vom | |
Müllsammeln leben. Mit großen Wagen bewegen sich Tausende von ihnen durch | |
die Stadt, um Altmetall, Flaschen, Kartons und altes Spielzeug zu sammeln. | |
Rodriguez begleitet Rita, eine Mutter von 12 Kindern, einen Tag lang von | |
dem Moment an, wo sie aufsteht, bis zum Abend, wenn sie nach einem langem | |
Arbeitstag nach Hause kommt. Rodriguez’ Fotos zeigen einen Menschen, der | |
sich trotz seiner schwierigen Lebenssituation nicht unterkriegen lässt. | |
Nicht minder beeindruckend ist die Fotoserie „Plastikmeer am Rande | |
Europas“, die Lisa Bolyos und Marco del Pra für Umbruch anfertigten. Ihre | |
Bilder zeigen Gewächshäuser, die sich im Süden Spaniens auf einer Fläche | |
von 35.000 Hektar Land erstrecken. Durch die Reflexion der Sonne sehen die | |
dicht aneinanderliegenden planenartigen Dächer der Gewächshäuser einem | |
richtigen Meer täuschend ähnlich. Neben der umweltschädlichen Produktion | |
von Nahrungsmitteln thematisieren die beiden die miserablen | |
Arbeitsverhältnisse der PlantagenarbeiterInnen. „Wir sind sehr stolz, mit | |
so tollen Leuten zusammenarbeiten zu können“, sagt Leh. Die beiden | |
Fotoserien wurden im Vorfeld des G-8-Gipfels von Heiligendamm während einer | |
Wanderausstellung in ganz Deutschland gezeigt. | |
Die Organisation von Ausstellungen gehört zu den Kernaufgaben des | |
gemeinnützigen Vereins. Im September 2011 beteiligte sich Umbruch mit einer | |
eigenen Ausstellung an einer Veranstaltungswoche zum dreißigjährigen | |
Jubiläum der Hausbesetzerbewegung. Für diese nahm der Verein Kontakt zu | |
anderen Fotografen aus der 80er-Zeit auf und stieß dabei auf etliche | |
unveröffentlichte Aufnahmen. 85 Bilder schafften es in die Ausstellung, die | |
den Titel „Aufgenommen“ trug und mit der man an heutige Kämpfe um Freiräu… | |
und gegen die aktuell explodierenden Mieten anknüpfen wollte. | |
Um sich zu vernetzen, nimmt Umbruch an bundesweiten Treffen unabhängiger | |
Medienarchive teil. Dort geht es zum Beispiel um aktuelle Probleme wie die | |
Digitalisierung und Online-Archivierung der eigenen Bestände. | |
Wer bei Umbruch mitmachen möchte, kann das auf unterschiedliche Weise tun. | |
Zum einen freut sich der Verein über finanzielle Unterstützung, in Form von | |
Spenden und Förderbeiträgen. Für die tägliche, weitgehend ehrenamtliche | |
Arbeit gibt es keine öffentlichen Zuschüsse. Wer Spaß am Fotografieren hat | |
und gern einen eigenen Bericht bei Umbruch veröffentlichen möchte, ist | |
ebenfalls willkommen. „Lasst eure Fotos nicht zu Hause verstauben – benutzt | |
und benützt das Umbruch-Bildarchiv!“, appelliert Leh. | |
Lukas Dubro | |
15 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Lukas Dubro | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |