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# taz.de -- Liebhaber an die Leine legen
> Die Oper „Arabella“ von Richard Strauss dreht sich um Heiratspolitik.
> Regisseur Tobias Kratzer gibt sich in seiner Inszenierung an der
> Deutschen Oper Mühe, die Genderproblematik kritisch zu modifizieren
Bild: „Arabella“ von Richard Strauss, inszeniert von Tobias Kratzer an der …
Von Anna Schors
„Dieses eine bittersüße Glück, das einem Mädchen bleibt, das kost ich aus:
sich keinem ganz zu geben“, singt Arabella in Richard Strauss'
gleichnamiger Oper, die am Samstagabend an der Deutschen Oper Berlin
Premiere feierte. Die junge Gräfin nimmt Abschied von ihren Mädchenjahren,
denn die Familie ist pleite und ein standesgemäßer Ehemann muss her. Zum
Glück wird sie von gleich drei Interessenten umworben.
Zum einzigen und letzten Mal in ihrem Leben hat sie die Zügel in der Hand.
Arabella weiß: Hat sie einmal ihr Ja-Wort gegeben, gibt es kein Zurück.
„Während die Frauen in den meisten Bereichen des gesellschaftlichen Daseins
weitestgehend machtlos waren, scheinen sie eine starke Position im Prozess
des Liebeswerbens innegehabt zu haben – zumindest auf der Ebene emotionaler
Macht“, beschreibt die Soziologin Eva Illouz in „Warum Liebe wehtut“ dies…
schmale Zeitfenster weiblicher Schein-Autonomie. Es konzentrierte sich im
19. Jahrhundert auf die Frage: Nehme ich ihn, oder nehme ich ihn nicht?
Arabellas Wahl fällt schließlich auf den schneidigen Husaren Mandryka, der
plötzlich auf der Bildfläche erscheint, nachdem er sich in eine Fotografie
Arabellas verliebt hat, die ihr in Spielschulden versunkener Vater
vorsorglich an betuchte Bekannte versendet hatte. Dem Glück des Paares
steht nur die kleine Schwester Zdenka im Weg, die heimlich in Arabellas
Verehrer Matteo verliebt ist. Sie gibt sich als Arabella aus und lockt ihn
in ihr Schlafzimmer, wo der verwirrte Liebhaber im Schutz der Dunkelheit
nicht merkt, dass er mit der falschen Schwester schläft – kann ja jedem mal
passieren. Mandryka, der sich von Arabella betrogen glaubt, benimmt sich
daraufhin völlig daneben und droht ihrem Vater und dem Rivalen mit dem
Revolver. Am Ende wird natürlich alles gut: Matteo erkennt in Zdenka die
rechte Braut und Arabella und Mandryka finden dank Arabellas engelsgleicher
Güte erneut zueinander. Wie so viele Opern-Heldinnen vor ihr verzeiht sie
ihrem Schatz seine Wutausbrüche. Was bleibt ihr auch anderes übrig?
## An alte Erfolge anknüpfen
Mit der Story wollten Richard Strauss und Textdichter Hugo von Hofmannsthal
1933 an den Erfolg der Oper „Der Rosenkavalier“ anknüpfen, die 20 Jahre
zuvor ebenfalls der Wiener High Society mit ihren walzerseligen Bällen,
Reifrock tragenden Damen und Fiakerfahrten ein Denkmal gesetzt hatte. Zu
diesem Zweck beschwor das Duo den Glanz der K.u.K.-Zeiten herauf, der schon
damals ins Reich der Nostalgie gehörte. An der Deutschen Oper bildet das
Bühnenbild von Rainer Sellmaier diesen Kosmos mit großer Liebe zum Detail
ab: Das Publikum blickt in ein holzvertäfeltes Wohnzimmer mit Plüschsesseln
und Samtvorhängen wie in eine Puppenstube. Währenddessen projiziert eine
Livekamera Details in Überlebensgröße auf eine riesige Leinwand: Sie macht
jeden Schnörkel und jede Schleife sichtbar, verweilt mal auf einem frischen
Blumen-Bouquet, mal auf einer vor innerer Erregung zitternden Hand. Sie
macht die Figuren nahbar und gibt der Spießigkeit des Ambientes eine
seltsame Poesie. Die opulente Ausstattung passt gut zu dem farbenreichen
Strauss'schen Orchesterklang. Mit psychologisierenden Leitmotiven zoomt er
an das Seelenleben der Figuren heran und zitiert zwischendurch bekannte
Operetten-Schlager. Eine Musik für Kenner, souverän interpretiert von
Orchester und Solistenensemble– allen voran Sara Jakubiak als Arabella, die
eine Woche vor der Premiere für die erkrankte Gabriela Scherer
eingesprungen ist.
Die Inszenierung von Tobias Kratzer versucht, dieses etwas anachronistische
Stück in eine Geschichte über toxische Männlichkeit und weibliche
Emanzipation umzudeuten. Arabella knutscht auf dem Ball nochmal mit allen
Verehrern rum, tauscht im zweiten Akt das Ballkleid gegen ein Flapperdress
Stil der 20er Jahre und bespritzt im dritten Akt – nun ganz modern in
Skinny-Jeans und Ponyfransen– den kleinlauten Mandryka mit Wasser. Mutter
Adelaide (Doris Soffel) führt indes die abgelegten Liebhaber der Tochter an
der Leine herum.
Diese kosmetischen Eingriffe ändern aber nichts daran, dass das Stück nicht
gut gealtert ist. Natürlich darf ein Opernabend ein Ausflug in die
Vergangenheit sein – solange er zeitlose Themen verhandelt, wie es Strauss'
„Rosenkavalier“ auf beispielhafte Weise tut. Die inneren Konflikte der
melancholischen Marschallin, die gegen Alter und Vergänglichkeit kämpft,
resonieren bis in die heutige Lebenswelt. Auch die schwelgerische Größe der
Musik berührt und bewegt immer noch. Plot und Personal des Remakes von 1933
jedoch lassen einen seltsam unberührt. Übrig bleibt eine etwas altbackene
Geschichte, die uns trotz kluger Regie nur noch wenig zu sagen hat.
Wieder am 23./26. und 30. März in der Deutschen Oper
21 Mar 2023
## AUTOREN
Anna Schors
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