# taz.de -- berliner szenen: Eine L-förmige Rettung | |
Als ich neulich mit zwei schweren Einkaufstüten in den Fahrstuhl stieg, | |
passierte mir das, was vermutlich irgendwann passieren musste: Aus einer | |
hektischen Bewegung heraus ließ ich meinen Schlüsselbund fallen. Er landete | |
genau im Schlitz, fiel in den Schacht. Fassungslos blieb ich einige | |
Sekunden stehen. Wieso habe ich nicht schnell genug reagiert? Wie in | |
Zeitlupe hatte ich den Schlüssel dabei beobachtet, wie er in den Schlitz | |
glitt. Weshalb musste es mir gerade jetzt passieren, wo ich es so eilig | |
hatte? Ich blickte in den Schacht, sah nur Dunkelheit, keinen Schlüssel, | |
nahm statt des Aufzugs lieber die Treppe und klingelte bei meinen Nachbarn, | |
in der Hoffnung, sie könnten mir den Ersatzschlüssel geben, den ich bei | |
ihnen bunkere. | |
Zum Glück machten sie die Tür auf und nahmen mich verschwörerisch mit in | |
ihre Wohnung. Dort erzählten sie mir, dass ihrer Tochter vor zwei, drei | |
Jahren genau das Gleiche passiert wäre und sie sich daraufhin Tipps von | |
anderen Nachbarn geholt, eine Konstruktion gebaut und mit deren Hilfe den | |
Schlüssel aus dem Schacht herausbekommen hätten. Gespannt bis skeptisch sah | |
ich meinem Nachbarn zu, wie er einen Zollstock zu einem „L“ formte und an | |
dessen Ende einen Magneten befestigte. Mit dieser Konstruktion und einer | |
Taschenlampe liefen wir zum Aufzug. Dort ortete mein Nachbar erst meinen | |
Schlüssel mit der Taschenlampe, bewegte dann das L-förmige Metermaß nach | |
unten in den etwa einen Meter tiefen Schacht. Tatsächlich: Beim zweiten | |
Anlauf griff der Magnet und mein Schlüssel tauchte wieder auf. | |
„Vielen, vielen Dank“, rief ich, konnte mein Glück kaum fassen. Da das | |
Licht im Fahrstuhl gerade nicht funktionierte, fuhren wir nach | |
erfolgreicher Mission gemeinsam im Licht der Taschenlampe nach oben. Mein | |
Tag war gerettet. | |
Eva Müller-Foell | |
16 Feb 2023 | |
## AUTOREN | |
Eva Müller-Foell | |
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