# taz.de -- Alles doch nur halb so wild | |
> Was haben die Jahre aus den Jungen Wilden der 1980er gemacht? Im Barlach | |
> Museum Wedel dürfen sie nochmal die Sau rauslassen. Aber wirklich gut | |
> gealtert ist die nicht | |
Bild: Ein Traum von Karl Horst Hödicke: Dass diese Malerei in den 1980ern als … | |
Von Hajo Schiff | |
In fahlen violetten und blauen Tönen steht er in Renaissancetracht als | |
Rembrandt vor einer Leninstatue unter dem Oberlichtfenster der Geschichte: | |
So zeigt sich Rainer Fetting in einem lebensgroßen Gemälde. Es ist eine | |
zugleich überspitzt gespenstische und die damals im Jahr 1991 neu | |
eröffneten Möglichkeiten historisch reflektierende Verortung. | |
Aber da war der Zeitgeist, um den es in dieser Ausstellung geht, schon | |
wieder überholt. Denn die sogenannte „Junge Wilde Malerei“ war ein Phänom… | |
der Achtzigerjahre. Zwar wurde in den Ateliers und Akademien immer gemalt, | |
doch in den Siebzigerjahren lag der Fokus besonders auf Konzepten, armen | |
Materialien und sozialen Aktionen. Dann wurde – in einer Formulierung des | |
damals angesagten Kritikers Wolfgang Max Faust – der „Hunger nach Bildern“ | |
übermächtig und eine Welle neoexpressionistischer Malerei brach Anfang der | |
1980er-Jahre los. | |
Im Barlach Kunstmuseum Wedel wird jetzt diese Zeit beleuchtet. Und zwar | |
ausschließlich mit dem Schwerpunkt Berlin. Die Front- und Mauerstadt war | |
neben Köln, Düsseldorf und Hamburg zwar nur einer der Orte neuer schriller | |
Malbegeisterung, aber in der dichten Kulturblüte der Inselstadt, und vor | |
allem in Kombination mit der Musik- und Clubszene, das vielleicht | |
wichtigste Zentrum. | |
Selbst ein Künstler wie Dieter Hacker, in den 1970er-Jahren mit seiner „7. | |
Produzentengalerie“ ein reiner Theoretiker und konzeptueller Foto- und | |
Filmkünstler, begann – durchaus zum Unverständnis mancher Wegbegleiter – | |
urplötzlich Gemälde zu fabrizieren. Idealporträts und Stadtlandschaften, | |
Kobolde und dräuende Traumgestalten begannen die Leinwände zu füllen. Der | |
sich „Salomé“ nennende Künstler Wolfgang Cihlarz malte Seerosenteiche und | |
Höllenfeuer, auch in magischen Traumflüssen versinkende Köpfe wie bei | |
Karl-Horst Hödicke wurden wieder darstellbar. Wie weit das dabei oft | |
aufscheinende Pathos doch eher ironisch zu verstehen wäre, lag und liegt im | |
Auge der BetrachterInnen. | |
Die in Wedel getroffene Bildauswahl ist zugleich ermöglicht wie | |
eingeschränkt durch die alleinige Nutzung der Sammlung der Berliner | |
Volksbank. Und zusätzlich zu den begleitend eingesetzten schwarz-weißen | |
Filmbildern des alten Westberlin und des Mauerstreifens wären vielleicht | |
auch Beispiele der die Stimmung damals wesentlich bestimmenden sexuellen | |
Libertinage und des bei vielen der Bilder mitzudenkenden Punks | |
wünschenswert gewesen: So spielte Salomé mit seinen nervösen, fast | |
futuristisch durchzuckten Bildern mit dem Maler Luciano Castelli in der | |
Band „Geile Tiere“. Der Malstil war nicht immer wild. Der Lebensstil schon | |
eher. | |
Die Auswahl der 19, heute zwischen 65 und 85 Jahre alten Künstlerinnen und | |
Künstler ist leider nur schwer zu begründen, zumal das Zeitfenster bis 1996 | |
ausgedehnt wurde, um auch abstrakt-expressive DDR-Künstler wie Hartwig | |
Ebersbach dazunehmen zu können. Aber nach 1989 waren die politischen und | |
ästhetischen Parameter komplett andere. Dieser Begriff „Junge Wilde“ ist | |
also längst historisch und nicht wirklich gut alt geworden. | |
Die meisten der hier präsentierten Positionen haben sich nur in einem | |
kurzen Zeitfenster getroffen, um wenige Orte im alten, brodelnden | |
Westberlin, genaugenommen speziell in Kreuzberg. Diese bis heute aktiven | |
Malerinnen und Maler sind heute mitunter in ihrer bunten figürlichen | |
Gefälligkeit eher dekorativ geworden, wie Elvira Bach oder Ina Barfuss. | |
Andere sind inzwischen fast vergessen, wie Ebersbach. Der vernichtete 2021 | |
Teile seines Werkes, da er sich als missachtet empfand. Und wieder andere | |
haben zu individuellem Ruhm gefunden, wie A. R. Penck mit seinen | |
chiffrenbasierten Bildformeln, oder mit einem wuchtigen, das | |
expressionistische Erbe eines Beckmann weitertragenden mythischen | |
Personalstil leitende Professuren besetzt, wie der sich als Malerfürst | |
gerierende Markus Lüpertz von 1988 bis 2009 als Rektor der Düsseldorfer | |
Akademie. | |
„Junge Wilde – Expressive Malerei im Berlin der 80er Jahre“, Barlach | |
Kunstmuseum Wedel, bis 26. 3. | |
3 Feb 2023 | |
## AUTOREN | |
Hajo Schiff | |
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