| # taz.de -- das wird: „Ein Einblick in eine Welt, die sonst nur im Verborgene… | |
| > In Braunschweig setzt sich ein Tanzstück mit dem Thema Essstörungen und | |
| > der so genannten Pro-Ana-Bewegung auseinander | |
| Interview Mila Hülquist | |
| taz: Frau Warzecha, wie tanzt man Essstörungen? | |
| Anna Maria Warzecha: Wir zeigen drei Figuren auf der Bühne. Zwei von | |
| Essstörungen Betroffene sowieso die Personifikation der Anorexie namens | |
| Ana, die der sogenannten Pro-Ana-Bewegung entstammt und dort glorifiziert | |
| wird. Sie wird auf der Bühne als eine Freundin dargestellt, die den | |
| Betroffenen Halt geben kann, sie jedoch gleichzeitig in die Essstörung | |
| drückt. Der durch sie ausgelöste innere Zustand wird an der Körperlichkeit | |
| der beiden betroffenen Figuren gezeigt: Am Anfang sind sie sehr aufrecht, | |
| sehr menschlich. Je weiter Ana die beiden im Laufe des Stücks manipuliert, | |
| desto gebückter, näher am Boden agieren sie in deformierter Körperhaltung. | |
| Was erwartet die Zuschauer in dem Stück? | |
| Eine 60-minütige Abwärtsspirale, in der man sieht, wie Menschen an der | |
| Krankheit zugrunde gehen können und wie perfide die Pro-Ana-Bewegung | |
| zwischen Haltgeben und Gewaltausüben agiert. Es werden auch | |
| Originalbeiträge aus der Pro-Ana-Community gezeigt, in der Betroffene das | |
| anorektische Ideal als Ziel feststecken und gemeinsam den Weg der | |
| Essstörung wählen, um dieses zu erreichen. Sie erwartet ein Einblick in | |
| eine Parallelwelt, die sonst nur im Verborgenen stattfindet. | |
| Sie und Ihre Kompliz:innen haben in diesen Pro-Ana-Foren recherchiert. | |
| Wie haben Sie sich dabei gefühlt? | |
| Ich habe viel Mitgefühl empfunden und es tat mir unglaublich leid, diese | |
| Menschen in ihrem Leiden zu beobachten. Das ist bedrückend. Bei einem | |
| Pro-Ana-Coach, der mich angeschrieben hat, um mir, beziehungsweise meinem | |
| Pseudonym mit ausgedachter Biografie, Tipps zum Erbrechen zu geben, habe | |
| ich Abscheu gespürt. | |
| Warum das Thema Essstörungen, haben Sie einen biografischen Hintergrund? | |
| In unserem Produktionsteam gibt es einen Menschen, der selbst unter einer | |
| Essstörung litt und auch Teil der Pro-Ana-Community war. Außerdem hatte ich | |
| in meiner Jugend jemanden in meinem Freundeskreis und auch diese Person war | |
| Teil der Bewegung. Ich habe gesehen, wie sehr sie diese Krankheit innerlich | |
| zerrissen hat. Egal in welcher Phase meines Lebens ich mich befand, ich | |
| hatte stets mindestens eine Person in meinem Umfeld, die von einer | |
| Essstörung betroffen war und ich glaube, dass das die Realität darstellt, | |
| ohne dass es den meisten bewusst ist. Das Thema ist tabuisiert und ich | |
| möchte sensibilisieren. | |
| Zärtliche Berührungen spielen in Ihrem Stück eine Rolle. Warum ist es | |
| wichtig, diese darzustellen? | |
| Weil sie das Perfide der Pro-Ana-Bewegung zeigen, die im Fokus des Stückes | |
| liegt. Sie ist brutal und Außenstehende fragen sich: Wie kann man sich dem | |
| hingeben? Wir wollen zeigen, dass das nicht so einfach ist und die Bewegung | |
| mit einem liebevollen Wir-Gefühl spielt. Dass sich Betroffene endlich | |
| verstanden fühlen, dass sie endlich Halt finden. | |
| Essstörungen sind ein sensibles Thema. Haben Sie sich professionell beraten | |
| lassen? | |
| Es ist ein Stück für Jugendliche und mir ist das Triggerpotenzial bewusst. | |
| Ich habe daher mit Psycholog:innen während des Prozesses gesprochen, | |
| die mich bestärkten, dass es wichtig sei, Essstörungen zu thematisieren und | |
| dass man sie nicht verharmlosen dürfe. Jede Schulklasse, die das Stück | |
| sieht, bekommt noch einen nachbereitenden Workshop, der auch gemeinsam mit | |
| Psycholog:innen konzipiert wurde. | |
| Was passiert in diesen Workshops? | |
| Es geht zum einen darum, das Gesehene zu besprechen und zum anderen um | |
| Empowerment. Die Tanzpädagog:innen stärken dadurch das Selbstbewusstsein | |
| und generieren bei den Jugendlichen ein positives Körpergefühl, was dann | |
| wieder präventiv wirken soll. | |
| Tanzstück „Du kannst mich Ana nennen“ von Warzecha & Kompliz*innen: Fr, 27. | |
| 1. + Sa, 28. 1., 20 Uhr, Braunschweig, LOT-Theater, Kaffeetwete 4a; 3. 2., | |
| Theaterhaus Hildesheim, | |
| 21. 4. Quartier Theater Hannover | |
| 26 Jan 2023 | |
| ## AUTOREN | |
| Mila Hülquist | |
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