# taz.de -- Linke fordern digitalen Euro als öffentliches Gut | |
> In diesem Jahr will die EZB beschließen, eine elektronische Währung | |
> einzuführen. Offen ist, ob davon vor allem die Banken profitieren oder ob | |
> es ein Geld für die Zivilgesellschaft wird | |
Bild: Noch eine – weniger sichere – Option neben baren und digitalen Euro… | |
Von Nathanael Häfner | |
Wenn die Europäische Zentralbank (EZB) in diesem Jahr die Einführung des | |
digitalen Euro beschließen will, kämpft sie damit um die eigene Bedeutung. | |
Denn Zahlungsdienstleister wie Paypal stellen die Hauptaufgabe der | |
Zentralbank infrage: eine funktionierende und von allen akzeptierte Währung | |
zur Verfügung zu stellen. Das Bargeld ist so eine Währung, aber immer | |
häufiger sind alternative Zahlungsmittel gefragt. | |
Damit ein kommender digitaler Euro diesen Anspruch an eine zusätzliche | |
Währungsoption erfüllen kann, müsse er als eine echte „öffentliche Option… | |
gestaltet sein, heißt es in einer neuen Studie der Linksfraktion im | |
Europäischen Parlament (LEFT), die der taz vorab vorlag. „Um den | |
Online-Zahlungsverkehr sicher und für alle zugänglich zu machen, muss die | |
Europäische Zentralbank den digitalen Euro in einem offenen Prozess auf den | |
Weg bringen, also die Zivilgesellschaft von Anfang an mit einbeziehen“, | |
sagt LEFT-Ko-Vorsitzender Martin Schirdewan. | |
Ein Gegenmodell – vor dem die Autoren warnen – wäre es, den digitalen Euro | |
nur über die Geschäftsbanken zur Verfügung zu stellen. Das fordern diese, | |
weil sie um ihr Geschäftsmodell fürchten, wenn etwa direkte | |
Kund*innenkonten bei der EZB möglich würden. Denn das würde ihnen | |
Einlagen entziehen. | |
Die EZB sieht sich unter Zugzwang. 2022 ließ sie verlauten, dass private | |
Zahlungsdienstleister oder der Krypto-Markt den Markt dominieren würden, | |
wenn es nicht gelinge, einen digitalen Euro einzuführen. Weltweit feilen | |
bereits etliche Zentralbanken an Modellen. In China etwa nutzen Millionen | |
Menschen schon seit 2019 in einer Pilotphase den digitalen Yuan. | |
Was unterscheidet den digitalen Euro von der Währung in den Banking Apps | |
und im Browser am heimischen PC? Ganz simpel gilt es hier, zwischen | |
Geschäftsbankgeld und Zentralbankgeld zu unterscheiden. Der Betrag, der auf | |
dem eigenen Bankkonto ablesbar ist, ist tatsächlich nur eine Forderung, den | |
man selbst an die Geschäftsbank hat. Diese benötigt die Kundeneinlagen, um | |
wiederum selbst Kredite vergeben zu können. Stimmt das Gleichgewicht | |
zwischen Einlagen und Kreditvergabe nicht, können Geschäftsbanken | |
bankrottgehen. Zwar sind die Kundeneinlagen bis zu 100.000 Euro dann über | |
den Einlagensicherungsfonds der Banken geschützt. Aber in einer akuten | |
Krise ist nicht garantiert, dass sie auch jederzeit als Bargeld abgehoben | |
werden können. Während der Griechenland-Krise etwa gab es einen Bankenrun, | |
bei dem die Griech*innen verzweifelt versuchten, ihre Guthaben an den | |
Geldautomaten als Euro ausbezahlt zu bekommen. | |
Zentralbankgeld aber kann nur im Euroraum nur die EZB schöpfen – und | |
deshalb auch niemals pleitegehen. | |
Der digitale Euro böte nun die Chance, dass die Europäer*innen direkt | |
Zugriff auf dieses Zentralbankgeld bekommen. Ein wichtiger Vorteil, den die | |
Autor*innen der Studie sehen, wäre, dass sich Helikoptergeld und | |
Transferleistungen über ein Kund*innenkonten bei der EZB direkt als | |
Zentralbankgeld anweisen ließen. Laut der Studie ließe sich der digitale | |
Euro mit sogenannten Smart Contracts programmierbar machen. Damit wären | |
automatische Zahlungen möglich. „Smart Contracts kodieren die Bedingungen | |
der Auszahlungen“, sagt Studienautor Tristan Dissaux. Kommt es zu | |
Naturkatastrophen wie bei den Überschwemmungen im Ahrtal 2021, könnte eine | |
automatische Zahlung der Versicherung so direkt über den digitalen Euro an | |
die Bürger*innen erfolgen. 18 Monate würde es laut Finanzminister | |
Christian Lindner (FDP) dauern, Steuernummer und IBAN aller in Deutschland | |
lebenden Menschen beim Finanzministerium zu vereinen. | |
Bisher ist aber noch vollkommen unklar, wie die EZB den digitalen Euro | |
genau gestalten will. Die Studienautoren befürchten, dass die Zentralbank | |
private Banken zwischen die Währung und die Bürger*innen schaltet. Doch | |
mit diesen „privaten Mittlern“ verliere der digitale Euro seinen Reiz, | |
schreiben sie. | |
.„Eine stabile digitale Währung böte interessante Chancen für die | |
Geldpolitik. Dies setzt voraus, dass man die Menschen mitnimmt und nicht in | |
Hinterzimmern an Gimmicks für kommerzielle Banken tüftelt“, sagt | |
Schirdewan. | |
Studienautor Dissaux sieht dabei vor allem ein Datenschutzproblem: | |
„Kommerziellen Mittlern sollte nicht erlaubt sein, persönliche | |
Zahlungsdaten zu benutzen.“ Er stellt sich eine App für den digitalen Euro | |
vor, will aber auch die nationalen Zentralbanken in jedem Euroland | |
beteiligen. Klar ist: Digitale Währungen hinterlassen immer Spuren. Wie | |
Datenschutz technisch ermöglicht wird, berät die EZB derzeit noch. Aus | |
Bankenkreisen heißt es, dass sie dazu auch Blockchain-Technologie nutzen | |
könnte. | |
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer warnte allerdings in der | |
WirtschaftsWoche, ein öffentlicher digitaler Euro schwäche die | |
Marktwirtschaft. Kund*innen könnten ihre Einlagen zu einem möglichen | |
EZB-Konto verlagern, weil ihnen Zentralbankgeld sicherer scheint. Damit | |
sänke das Eigenkapital der Geschäftsbanken. Das wiederum, befürchten manche | |
Marktliberale, sei Einfalltor für mehr Verstaatlichung, da der Staat im | |
Zweifel für die Banken haften müsse. | |
17 Jan 2023 | |
## AUTOREN | |
Nathanael Häfner | |
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