# taz.de -- momentaufnahmen: Wenn zwischen Welten nur 200 Meter liegen | |
Es ist kalt, ich scheue den Weg zur türkischen Bäckerei in | |
Berlin-Kreuzberg, wo ich oft mittags einen Kaffeeshot zu mir nehme. Ich | |
betrete das Espresso House gegenüber dem taz-Gebäude. Zum ersten Mal. | |
Gentrification-English wie „Seasional Brew“ (What? Jahreszeitengebräu?). | |
Man(n) unterhält sich gepflegt über IT – zwei hinter, einer vor der Theke. | |
Es dauert, bis ich bestellen darf: Espresso, bitte. 2,59 Euro. Es dauert, | |
ein weiteres Gespräch. Am Ende ist der Luxusbrew lauwarm, kein Schaum. | |
Zweihundert Meter entfernt liegt die Bäckerei, familiengeführt – die | |
Hauptstadt-SPD würde von Clan sprechen. Hoch frequentiert von der | |
Nachbarschaft, der türkischen, arabischen, deutschen, den Besuchern des | |
nahen Jüdischen Museums. Der Siebträger wird eingespannt, wenn ich vor dem | |
Fenster auftauche. Der Espresso 1,70 Euro, für mich manchmal 1,50, heiß, | |
mit Schaum. Ich erfahre von der Ehefrau, die nachts als Putzkraft auf dem | |
BER arbeitet. Ein arm wirkender alter (weißer) Mann bittet um ein Brötchen, | |
kostenlos, und bekommt zwei. | |
Nur 200 Meter voneinander entfernt – es liegen Welten dazwischen. Rosemarie | |
Nünning | |
31 Dec 2022 | |
## AUTOREN | |
Rosemarie Nünning | |
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