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# taz.de -- Die letzte Rettung
> Klimaforschende zeigen, was 3 Grad mehr bedeuten würden – und wie das
> Horrorszenario doch noch zu verhindern ist
Von Annette Jensen
Auch Menschen, die bereits sehr gut über die Folgen der Erderhitzung
informiert sind, werden in diesem Buch Neues finden. Eine ganze Reihe der
renommiertesten Forschenden haben daran mitgeschrieben. Sie erklären nicht
nur in gut verständlicher Sprache, welche Folgen die Klimakatastrophe schon
heute für die verschiedenen Lebensbereiche und Regionen hat und wie die
ökologischen Megakrisen zusammenhängen. Unumwunden konfronieren sie die
Leserschaft auch damit, dass ohne geeignete Gegenmaßnahmen schon bald ein
Plus von 3 Grad zu erwarten ist – und dass das eine existenzielle Gefahr
für die menschliche Zivilisation bedeutet. „Es fällt mir schwer, das zu
schreiben, während ich an meine Kinder denke“, bekennt Stefan Rahmstorf vom
Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
Trotzdem ist das Buch nicht dystopisch, sondern ein überzeugender Versuch,
die notwendigen Lösungen zu propagieren. Dabei halten sich die
Autor*innen nicht mit technischen Schein-Auswegen wie Elektroautos oder
CO2-Verpressung in ehemalige Bergwerke auf. Vielmehr verweisen sie auf eine
ganze Reihe umfassender, naturbasierter Lösungen. Deren konsequente
Umsetzung könnte das Horrorszenario doch noch verhindern, so das Credo der
inspirierenden und überaus informativen Aufsatzsammlung.
Schon heute fallen immer wieder Tausende von Flughunden in Australien tot
von den Bäumen – ihr Organismus kollabiert bei Temperaturen über 42 Grad.
Für pflanzliche Zellen ist die Hitzegrenze bei 35 bis 46 erreicht. Jedes
Grad mehr bedeutet Ernteverluste von 3 bis 7 Prozent bei den wichtigsten
Nahrungspflanzen Weizen, Reis, Mais und Soja. Sollte der Temperaturanstieg
tatsächlich 3 Grad erreichen, wird der Amazonas-Regenwald nicht mehr zu
retten sein und versteppen.
Es gibt im Prinzip nur zwei Stellschrauben, um die menschengemachte
Belastung der Atmosphäre mit CO2 zu verringern. „Zum einen kann der
Verbrauch an fossilen Energien verringert werden, zum anderen können die
Kohlenstoffspeicher aktiviert werden“, fasst Reinhard Mosandl zusammen. Ein
riesiges Potenzial liegt in der Wiedervernässung von Mooren und in der
Humusanreicherung von landwirtschaftlichen Böden. Der dritte Faktor sind
Wälder. In China, Nigeria und Ägypten ist es gelungen, erhebliche Flächen
wieder aufzuforsten und damit große Mengen Kohlenstoff aus der Atmosphäre
zu binden, schreibt Waldprofessor Mosandl.
Genau das ist auch der Ansatz, den der ehemalige PIK-Leiter Hans Joachim
Schellnhuber in seinem mitreißenden Beitrag „Bauhaus für die Erde“
verfolgt. Ihm zufolge könnte das weitere Wachstum von Megastädten dazu
genutzt werden, um aus dem extrem klimaschädlichen Bausektor eine
CO2-Senke zu machen. Statt weiter auf den mit viel fossiler Energie
hergestellten Beton zu setzen, sollte in großem Stil Holz zum Einsatz
kommen, so sein Plädoyer. Werden entsprechend viele Bäume nachgepflanzt,
verdoppelt das den positiven Klimaeffekt.
Schellnhuber verweist auf die ETH Zürich, die das zusätzliche
Bewaldungspotenzial der Erde ausgerechnet hat. Erste Holzhochhäuser
existieren bereits; aus Brandschutzsicht stellt das Baumaterial dank neuer
Bearbeitungsmöglichkeiten kein Problem mehr dar. Auch bekommt Holz durch
Querverleimung der Bretter eine große Stabilität und Festigkeit.
Am Schluss des Buches wird Herausgeber Klaus Wiegandt politisch. Er
verlangt, dass das reichste Prozent die Kosten für die Klimaschäden und den
notwendigen Umbau trägt. Außerdem müssten der Bevölkerung die Folgen von
Nichtstun drastisch vor Augen geführt werden. Dazu trägt das Buch bei – und
deshalb sind ihm viele Leser*innen zu wünschen.
12 Nov 2022
## AUTOREN
Annette Jensen
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