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# taz.de -- das wird: „Wir müssen den Preis für diese WM hochtreiben“
> Autor und Fußballfan Dietrich Schulze-Marmeling über politische Motive
> und nachgeschobene Rechtfertigungen der Turniervergabe
Interview Sebastian Ridder
taz: Herr Schulze-Marmeling, auf welches Spiel haben Sie sich als
Fußballfan am meisten gefreut in diesen Tagen?
Dietrich Schulze-Marmeling: TuS Altenberge gegen SC Münster 08 –
U19-Kreispokalfinale am vergangenen Samstag.
Also kein Spiel der jetzt beginnenden Fußball-WM?
Die Reportagen und Dokus werde ich mir ansehen. Die Öffentlich-Rechtlichen
sind da in einer Zwickmühle, weil sie diese Formate und die Vorberichte
ausstrahlen, um den Druck aus der Übertragung der Spiele zu nehmen. Ich
werde weiterhin Fußball konsumieren, aber anders.
Lässt sich der Sport denn nicht vom Politischen trennen?
Diese Parole von der Neutralität des Fußballs ist Quatsch. Die Entscheidung
Katars, eine WM auszurichten, war stark politisch motiviert. Man kann aber
trotzdem Zuschauer sein. Das haben wir an vielen Protesten in deutschen
Stadien in den letzten Wochen gesehen. Ich weiß nicht, ob es schon mal so
große Bekundungen pro Menschenrechte in Deutschland im Fußball gegeben hat.
Die Fifa gibt mit dieser Parole das komplette Verhandlungspotential aus
ihrer Hand.
Warum ist es wichtig, auch während des Turniers weiter darüber zu reden?
Die kritische Haltung darf nicht mit dem Anstoß eines Spiels absterben. Die
Probleme in Katar, im internationalen Fußball und in der Fifa bleiben ja
bestehen. Wir müssen den Preis für diese WM hochtreiben.
Bewirken Kooperationen mit einem Land wie Katar nicht Veränderungen zum
Guten?
Das ist eine nachgeschobene Erzählung. Bei der Entscheidung hatte die Fifa
kein Interesse an Menschenrechten oder Demokratisierung, Katar auch nicht.
Wenn, verhandeln und bewirken Menschenrechtsorganisationen etwas in solchen
Staaten. Wir als Fans können lediglich die Aufmerksamkeit darauf
verstärken. Das lässt sich als Doppelpassspiel verstehen.
Inwiefern?
Wir stellen Boykottforderungen, bei denen wir auf die
Menschenrechtsorganisationen verweisen.
Sehen Sie da auch Spieler und Trainer in der Pflicht?
Der erste Adressat müssen die verantwortlichen Funktionäre sein. Spieler
wie der ehemalige finnische Kapitän Sparv fordern, in die Entscheidungen
mit einbezogen zu werden. Die ganze Last der Veranstaltung wird auf Spieler
und Idole abgeladen, derentwegen wir einschalten: Die müssen jetzt was dazu
sagen.
Können Sie sich vorstellen, dass diese WM etwas verändert?
Die WM ist auch Ausdruck der Kräfteverschiebung in der Fifa. Präsident
Gianni Infantino hat mit Versprechungen Stimmen aus Asien, Afrika und
anderen Regionen geholt. Und über Sponsoren und Investoren hängt der
europäische Fußball mittlerweile am Geld von der Golfregion. Der Weg zur
Fifa führt über die einzelnen Nationalverbände: Die müssen Forderungen
stellen und den Mut haben, auch eine Abkopplung als Konsequenz anzusehen.
Halten Sie das im Business Fußball für möglich?
Aktuell ist es eine Utopie. Die braucht es aber, um Reformschritte zu
formulieren. Wir können aber eine andere Bundesliga haben, die nicht von
dem Druck geprägt ist, mit anderen Ligen mithalten zu müssen. Solche
Prozesse könnten ja auch mal von Vereinen kommen, die nicht in die
Champions League kommen oder wollen.
21 Nov 2022
## AUTOREN
Sebastian Ridder
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