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# taz.de -- das wird: „Vernunft und Spiritualität waren keine Gegensätze“
> Künstlerin Cordula Ditz über empowernde Kommunikation mit Geistern in den
> USA um 1850
Interview Sebastian Ridder
taz: Frau Ditz, Was bedeutet Spiritualität für Sie?
Cordula Ditz: Also, ich habe nicht vorher schon überall Geister gesehen.
Darauf aufmerksam geworden bin ich über ein anderes Projekt über Sarah
Winchester, die glaubte, von den Geistern der Opfer der Winchester-Gewehre
verfolgt zu werden, und die nach dem Besuch eines Mediums 30 Jahre lang
ohne Unterbrechung an einem über 160 Räume umfassenden Haus gebaut hat,
deren Pläne sie in Séancen empfangen hat.
Wurden Frauen zu Beginn des Spiritualismus als schwach angesehen?
Der Titel basiert auf dem Zitat von Lizzie Doten – eines Mediums, das unter
Einfluss des Geistes von Edgar Allan Poe Gedichte vorgetragen hat.
Innerhalb der spiritualistischen Religion wurden Frauen nicht als schwach
angesehen. Der Spiritualismus ist davon ausgegangen, dass alle Menschen
gleich sind, unabhängig von Geschlecht und Hautfarbe. Aber in der damaligen
Gesellschaft glaubte man, dass Frauen schwach sind und dadurch
empfänglicher, Geister zu empfangen.
Was machte diese Frauen besonders?
Die spiritualistische Religion war eine Art Türöffner für Frauen, um vor
großen, gemischgeschlechtlichen Gruppen sprechen zu können. Man glaubte,
dass nur Frauen in der Lage waren, männliche Geister zu empfangen, während
Männer lediglich Weibliche empfingen. Frauen konnten so beispielsweise
Nachrichten von Napoleon empfangen und so politische Reden in der
Öffentlichkeit führen. Zur gleichen Zeit entstand die Frauenrechtsbewegung
in den USA.
Welche Verbindung gibt es dazwischen?
Auffällig ist, dass sich viele dieser männlichen Geister nach ihrem Tod
doch sehr stark für Frauenrechte eingesetzt haben, was vielleicht kein
Zufall war. Der Spiritualismus entstand im gleichen Jahr und in der
gleichen Gegend wie die Seneca Falls Convention, die erste organisierten
Konvention der Frauenrechtsbewegung. Die erste Präsidentschaftskandidatin
Victoria Wood war Spiritualistin, Susan B. Anthony hat in
spiritualistischen Camps gesprochen und Lincoln hat Séancen im Weißen Haus
abhalten lassen.
Wurde das von weiten Teilen der Gesellschaft akzeptiert?
Vernunft und Spiritualität waren keine Gegensätze zu der Zeit. Mit der
Erfindung des Telegrafen und der Elektrizität erschienen Erfindungen, deren
Grenzen man nicht kannte. Edison hatte zum Beispiel versucht, eine Art
Geistertelefon zu entwickeln. Marie Curie und ihr Mann sind ebenfalls zu
Séancen gegangen. In Deutschland wurde das kritischer aufgenommen. In den
USA sah es damals so aus, als würde Spiritualismus die populärste Religion
werden.
Also ein Empowerment?
Auf jeden Fall! Aber man darf auch nicht vergessen, dass Leute sich
vorstellten, dass ein männlicher Geist eher eine intellektuelle Rede halten
kann als eine Frau. Diese Polarität bestand jedoch nur zu Anfang.
Was hat Sie davon für Ihre Ausstellung inspiriert?
Ich finde grundsätzlich die Idee spannend, dass Phänomene nicht abgetan
werden, nur weil sie nicht erklärt werden können. 1850 setzten sich
Spiritualisten schon für Gleichheit, Tierrechte und Nachhaltigkeit ein,
weil man sich vorstellte, mit Geistern reden zu können. Die Installation
soll ein Denkraum für Utopien sein, zu dem Performance, Vorträge und Yoga
gehören.
17 Nov 2022
## AUTOREN
Sebastian Ridder
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