# taz.de -- Nachrichten von begrenztem Mehrwert | |
> Die Initiative Hamburg Werbefrei beklagt, dass das Zeigen von Nachrichten | |
> auf digitalen Werbetafeln nur der größeren Akzeptanz von Werbeflächen | |
> dienen soll | |
Bild: Mal Werbung, mal Nachricht: Ablenken können Werbetafeln so oder so | |
Von Mattthias Propach | |
Erst die stylische Werbung eines Modelabels, dann ein lustiges Quiz und | |
schließlich brandaktuelle News: „Kultur von Inselstaat soll bewahrt | |
werden“, leuchtet es mit ganzer Strahlkraft von einer digitalen | |
Anzeigetafel. Um welche Kultur oder welchen Inselstaat es sich dabei | |
handelt, findet keine Erwähnung. Doch bewegt das Hamburger:innen, die im | |
öffentlichen Raum solche Nachrichten lesen? | |
Das hinterfragen zumindest mehr als 14.000 Unterzeichner*innen der | |
Initiative Hamburg Werbefrei. Diese sucht noch bis diesen Freitag | |
Unterstützer*innen für einen Gesetzesentwurf zur Regulierung von | |
Werbung im öffentlichen Raum. In dem Gesetzesvorschlag der Initiative | |
sollen unter anderem die nicht-kommerziellen Inhalte reguliert und im Sinne | |
eines freien, demokratischen Raumes gestaltet werden. | |
Insgesamt befinden sich 372 dieser sogenannten „Infoscreens“, wie sie von | |
den Betreibern Ströer und Wall bezeichnet werden, in ganz Hamburg verteilt. | |
Dies geht aus einer kleinen Anfrage der Linksfraktion an den Senat hervor, | |
die dort wissen will: Gibt es ein demokratisches Mitspracherecht, wenn es | |
um die hiesigen prominenten Leuchttafeln geht? | |
Werden bei dem Unternehmen Ströer kommerzielle und nicht-kommerzielle | |
Inhalte nicht gesondert erfasst, sind bei Wall rund 50 Prozent des | |
Gezeigten sogenannte nicht-werbliche Informationen. Während die | |
Werbeanteile den gesetzlich und behördlich vorgeschriebenen Richtlinien | |
unterstehen, sind die nicht-kommerziellen Inhalte gänzlich unkontrolliert. | |
So heißt es in der Anfrage weiter, dass für die Inhalte „keine expliziten, | |
zusätzlichen Regelungen in den Verträgen enthalten“ sind. Da diese | |
nicht-kommerziellen Informationen eine „freiwillige Leistung der | |
Werbeunternehmen darstellen“, unterliegen sie „keiner regelhaften Prüfung.… | |
Sprich: Auf den hunderten Leuchttafeln können Inhalte verbreitet werden, | |
die täglich von hunderttausenden Menschen gesehen werden. Die Entscheidung | |
darüber, was im öffentlichen Raum gezeigt wird, haben einzig die | |
Medienunternehmen Ströer und Wall selbst. | |
„Es wird nicht archiviert, sodass es schwierig ist zu überprüfen, was hier | |
eigentlich gezeigt wird“, sagt Martin Weise, Sprecher der Volksinitiative | |
Werbefrei Hamburg. Problematisch ist daran, dass keine journalistische und | |
wissenschaftliche Untersuchung stattfinden kann, welche die Muster und | |
Trends der gezeigten Inhalte kritisch auswertet. | |
Der Senat gibt außerdem an, dass es sich bei 25 Prozent der Inhalte um | |
animierte und visuell-dynamische Elemente handele. Dem kommt eine besondere | |
Bedeutung zu, da diese Formate dazu geeignet sind, die Aufmerksamkeit der | |
Passant*innen auf sich zu ziehen. Zum einen stellt dies ein Problem für | |
die Verkehrssicherheit dar. Zum anderen wird es den Passant*innen | |
erschwert, sich frei im öffentlichen Raum zu bewegen. Gerade bewegte Bilder | |
lösen, selbst wenn sie nur in der Peripherie des Sichtfeldes wahrgenommen | |
werden, spürbaren Stress aus. | |
Aber wäre es für die Unternehmen Ströer und Wall nicht lukrativer, | |
ausschließlich Werbung zu schalten?: „Das ist eine Strategie. Letztlich | |
sehen wir darin den Versuch, diese Werbetafeln nicht nur als Werbetafeln | |
dastehen zu lassen, sondern sie auch als Informationsquelle zu | |
legitimieren“, sagt Marco Hosemann von der Linkspartei. | |
Grundsätzlich ist die Initiative Hamburg Werbefrei optimistisch, ihren | |
Gesetzesvorschlag im Hamburger Senat vorzubringen. Von den bereits | |
gesammelten 14.000 Unterschriften würden in der Regel 25 Prozent für | |
ungültig gelten, so dass das Ziel von 10.000 Unterschriften bis zum Freitag | |
erreicht werden sollte. Von da an ginge der Gesetzentwurf zunächst in den | |
Senat. Dieser kann dem Gesetz zustimmen, einen Kompromiss aushandeln, es | |
ablehnen oder es zur Prüfung an das Landesverfassungsgericht weiterleiten. | |
Sollte das keine Beanstandungen haben, könnte es im letzten Schritt des | |
Verfahrens zu einem Volksentscheid kommen, bei dem alle Wahlberechtigten | |
darüber abstimmen können. | |
19 Oct 2022 | |
## AUTOREN | |
Matthias Propach | |
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