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# taz.de -- „Ganz tief in der Scheiße“
> Bayer Leverkusen spielt beim 1:5-Debakel in Frankfurt desaströs. Von der
> guten Stimmung nach dem gelungenenTrainereinstand von Xabi Alonso ist nun
> nichts mehr übrig. Der Spanier vermisst die Wettbewerbsfähigkeit seines
> Teams
Bild: Der Leverkusener Piero Hincapie (r.) machte auch hier gegen Muani eine eh…
Aus Frankfurt Frank Hellmann
Es sah bereits nach einem Akt von Verzweiflung aus, als Lukas Hradecky die
Arme vor dem Gästeblock in der Frankfurter Arena ausbreitete wie ein
Einweiser auf dem Vorfeld des nahegelegenen Flughafens. Dabei wollte der
Torhüter von Bayer Leverkusen lediglich Abbitte für die nächste
Bruchlandung leisten. Der wütenden Anhängerschaft war der Absturz der
Werkself indes weder mit Worten noch mit Händen zu erklären, auch wenn sich
der Finne Hradecky an seiner ehemaligen Wirkungsstätte wirklich sehr tapfer
um Schadensbegrenzung bemüht hatte. Trotzdem hatte das Debakel bei
Eintracht Frankfurt (1:5) besorgniserregende Ausmaße angenommen.
Nach der Campions-League-Lehrstunde gegen den FC Porto (0:3) hatte der mit
so viel Vorschusslorbeeren empfangene Trainer Xabi Alonso die zweite herbe
Niederlage binnen vier Tagen zu verdauen. Dem Spanier blieb gar nichts
anderes übrig, als die Demontage einzugestehen. „Wir sind von Beginn an in
Probleme geraten. Wir hatten nicht die Intensität, die es auf diesem Level
braucht. Wir sind daran schuld, uns kann kein anderer helfen – keine
Ausreden“, sagte der 40-Jährige.
Mittelfeldspieler Kerem Demirbay wählte bewusst drastische Worte: „Wir sind
ganz tief in der Scheiße drin. Profis mit Qualität müssen jeden Tag
abliefern, das kriegen wir im Wettkampf nicht hin.“ Zudem wurde Demirbay
deutlich in Richtung des mal wieder indisponierten Torjägers Patrik Schick:
„Wir verteidigen schlecht, aber das fängt ganz vorne an: Wenn ich ein
Stürmer mit super Technik bin, muss ich zuerst ackern und rackern.“
Demirbay wertete rückblickend den Auftaktsieg unter Alonso gegen Aufsteiger
FC Schalke 04 (4:0) als trügerisch: „Schalke ist nicht unser Maßstab.“
Alonso erklärte: „Um wettbewerbsfähig zu sein, müssen wir uns verbessern.
Wir haben jetzt eine intensive Woche vor uns.“ Durch das frühe Pokal-Aus
seines Vorgängers Gerardo Seoane ist ihm immerhin eine Woche Vorbereitung
aufs Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg vergönnt. Bis dahin sollte geklärt
werden, wie die fehlgeschlagene „connection“ von Kopf und Körper gelingen
kann, die Alonso als Erklärungsmuster bemühte. Alles hänge ja miteinander
zusammen.
Doch es bleibt abzuwarten, ob seine Erkenntnisse helfen, die Probleme zu
verringern. Wie sehr sich die Führungsspieler nach Konsequenzen sehnen,
verdeutlichte Robert Andrich. „So läuft Fußball nicht“, monierte der
Mittelfeldkämpfer, „das muss jedem klar werden. Das müssen wir ganz klar in
der Mannschaft ansprechen, sonst sehe ich schwarz für uns.“ Für den
Führungsspieler war der nächste Rückschlag nicht mal eine Überraschung,
denn: „Mit dem Trainer gehen nicht die Probleme. Es sind ja immer noch die
Leute auf dem Platz, die dafür verantwortlich sind.“ Andrich regte den
Verzicht auf „schönen Fußball“ an.
Vermutlich müsste der neue Coach dafür einige unbequeme
Personalentscheidungen fällen. Selbst das schmeichelhafte 1:1 durch Piero
Hincapie (56.) half nicht: Der Ecuadorianer verursachte eine Viertelstunde
später nach einer von unzähligen tollpatschigen Abwehraktionen einen
Elfmeter und sah noch Gelb-Rot.
Das Frankfurter Erfolgsrezept fasste Eintracht-Trainer Oliver Glasner so
zusammen: „Wir haben mit Tempo und Tiefgang die Schnittstellen attackiert.“
Weil der zerzauste Alonso-Trupp kaum Widerstandskraft aufbrachte, fand das
energetische Glasner-Team etliche freie Wege vor.
Dem tapfer haltenden Hradecky nutzte gegen seinen Ex-Verein nicht mal ein
gehaltener Elfmeter im Privatduell gegen Randal Kolo Muani, da die Parade
durch VAR-Intervention annulliert wurde – sein Fuß befand sich wenige
Zentimeter vor der Torlinie. So verwandelte Daichi Kamada die Wiederholung
(45.+4). Danach belohnten Muani entschlossen per Kopf (58.), Jesper
Lindström kunstvoll per Lupfer (65.), Kamada erneut per Strafstoß (72.) und
sogar der unter dem Bayer-Kreuz ausgemusterte Lucas Alario (86.) die
erdrückende Frankfurter Überlegenheit. Darauf stimmten die Eintracht-Fans
Hohngesänge auf einen „Absteiger“ an. So hatte der
Champions-League-Teilnehmer Bayer Leverkusen mit einem Welt- und
Europameister auf der Trainerbank tatsächlich gespielt.
17 Oct 2022
## AUTOREN
Frank Hellmann
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