# taz.de -- Höhenflug inmitten der Schulhallen-Atmosphäre | |
> Der TK Hannover ist am Freitagabend in die Basketballsaison der | |
> Frauenbundesliga gestartet. Die „Luchse“ haben mit ihrer Leistung eine | |
> größere Bühne längst verdient | |
Bild: Spitzenniveau in der Grundschul-Sporthalle: Der TK Hannover in den roten … | |
Von Christian Otto | |
Mitten in einem Wohngebiet setzen sie zu ihren Höhenflügen an. Willkommen | |
in der Südstadt von Hannover, hereinspaziert in die Sporthalle der | |
Otfried-Preußler-Grundschule in der Birkenstraße. Wenn die | |
Basketball-Frauen des TK Hannover hier ihre Heimspiele der 1. Bundesliga | |
austragen, ist das ein Kompromiss. Denn die Luchse, wie sie in der Hoffnung | |
auf eine bessere Vermarktung genannt werden, hätten eigentlich eine | |
deutlich größere Bühne verdient. Doch eines der besten deutschen Teams | |
erzielt noch nicht genug Wirkung, um Tausende von Fans anzulocken, die | |
Auftritte in einer größeren Sporthalle rechtfertigen. | |
Im Foyer der zumindest sehr modernen Halle duftet es nach Hotdogs und | |
Laugenbrezeln. Die bunten Tüten mit leckerem Weingummi – die große Variante | |
kostet einen Euro – sind mit Blick auf ein junges Publikum bereitgelegt. | |
Zum Saisonstart am Freitagabend finden rund 500 Zuschauer den Weg in eine | |
Halle, die an gut besuchten Spieltagen immerhin ein vorzeigbarer Kompromiss | |
auf dem Weg nach oben ist. „Es ist immer cool, vor solch einer Kulisse zu | |
spielen“, erzählt Aufbauspielerin Finja Schaake nach dem ersten Saisonsieg. | |
Ihr Team gewinnt zum Start in die Spielzeit mit 83:61 gegen die Eigner | |
Angels Nördlingen. Angesichts der hohen Ambitionen des TKH, der sich starke | |
Spielerinnen aus den USA, Polen, Tschechien und den Niederlanden leistet, | |
war dieser Erfolg ein Pflichtsieg. Hannovers Basketballfrauen wollen am | |
Saisonende möglichst die zweite Play-off-Runde erreichen und damit zur | |
nationalen Elite zählen. Sie sind also gar keine Grundschulhallenkombo, | |
sondern ein sehr ambitioniertes Projekt. | |
An der Außenlinie, gleich neben DJ Mase und dem Hallensprecher, geht es | |
beim TKH alles andere als zimperlich zu. „Come here“ ruft Trainerin Sidney | |
Parsons in einem scharfen Tonfall, der in der gesamten Sporthalle zu hören | |
ist. Obwohl ihr Team beruhigend in Führung liegt, zitiert sie Spielerinnen | |
ständig an die Außenlinie. „Unfucking acceptable“ und „bullshit“ brü… | |
Trainerin, wenn ihr etwas missfällt. | |
„Meine Ansprache ist immer gleich – ob im Training oder im Spiel. Ich gebe | |
meinen Spielerinnen viel Energie“, erklärt die Amerikanerin. Ihre Wortwahl | |
an das Team ist nicht immer kompatibel zum familiär geprägten Publikum. | |
Während der Halbzeitpause dürfen Kinder auf das Spielfeld und sich als | |
Basketballer ausprobieren. Der körperbetonte und harte Bundesligasport | |
zeigt sich in diesen Momenten von seiner weichen Seite. | |
Was die TKH-Damen auf das Parkett zaubern, ist voller Dynamik und von | |
Willen geprägt. Allein die schnellen Dribblings von Dara Taylor sind das | |
Eintrittsgeld von zehn Euro (ermäßigt fünf) wert. Nahezu alle Spielerinnen | |
im Luchs-Team sind auf ihre Art Profis. Reichtümer können sie in der 1. | |
Bundesliga jedoch nicht verdienen. Aber es ergeben sich beim gemeinsamen | |
Rennen um Punkte und vielleicht eines Tages auch den Meistertitel | |
interessante Konstellationen. Mit der Amerikanerin Laura Stockton gehört | |
die Tochter des früheren Weltstars John Stockton dem TKH-Ensemble an. Er | |
war am Freitagabend wie ein ganz normaler Zuschauer an der Seitenlinie zu | |
entdecken und gab gerne Autogramme. | |
Der mittlerweile 60 Jahre alte Stockton hat in seiner Karriere rund 60 | |
Millionen US-Dollar verdient. Er könnte dem TKH aus dem Stehgreif eine | |
gigantische Basketball-Arena als neue Heimat spendieren. Macht er aber | |
nicht. Der zweifache Olympiasieger saß entspannt auf einem herbeigestellten | |
Stuhl und freute sich über einen guten Auftritt seiner Tochter. „Es kommt | |
nicht auf die Größe der Halle an“, sagt Stockton über die | |
Schulhallen-Atmosphäre und die begrenzten Möglichkeiten in der | |
Birkenstraße. In der Tat: Die Stimmung beim TKH ist gut. Die dröhnende | |
Musik aus den scheppernden Lautsprechern animiert zum Mitklatschen. Doch | |
das Wachstumspotenzial der Mannschaft bleibt ohne großzügigen Mäzen oder | |
ein professionelleres Umfeld begrenzt. | |
Der erste Heimsieg der Saison war nie gefährdet. Mit dem überforderten Gast | |
aus Bayern hätte man fast ein wenig Mitleid haben können. Das Duell der | |
lautstark brüllenden Trainer verlor der Nördlinger Ajtony Imreh klar und | |
deutlich gegen Hannovers Energiebündel Sidney Parsons. Sie trägt an diesem | |
Abend ein schwarzes Sakko und rote Schuhe mit Absatz. Auch ihr britischer | |
Kotrainer Raphell Thomas-Edwards bringt in seinem edlen Anzug einen Hauch | |
der ganz großen Basketball-Welt in die Sporthalle Birkenstraße. | |
Doch der Zauber hat eine begrenzte Wirkung. Nur wenige Minuten nach der | |
Schlusssirene werden die mobilen Werbebanden und Stühle weggetragen. | |
Teammanagerin Doro Richter packt mit einem großen Team ehrenamtlicher | |
Helfer beherzt an, damit alles wieder ordentlich aussieht. Denn eines der | |
besten deutschen Basketballteams ist und bleibt der Untermieter einer | |
kommunal finanzierten Sporthalle. | |
17 Oct 2022 | |
## AUTOREN | |
Christian Otto | |
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