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# taz.de -- berliner szenen: Ströbeles Volkspool in Grunewald
Hans-Christian Ströbele habe ich nie näher kennengelernt. Manchmal kreuzten
sich unsere Wege auf Drahteseln an Kreuzbergs trüben Gewässern. Einmal aber
kam ich Ströbele sehr nah, und zwar im Himmel – im Billig-Flieger nach
Agadir saßen er und seine Frau Juliane direkt hinter mir. Ströbele war just
ein Jahr zuvor direkt in den Bundestag gewählt worden. An Heiligabend sah
ich das prominente Paar auf der kargen Strandpromenade, Arm in Arm im
Dritt-Welt-Ambiente mit blinkenden Plastikweihnachtsmännern, im Hintergrund
der Atlantik und Agadirs Hügel mit der arabischen Aufschrift „Gott, Land,
König“.
Szenenwechsel. Rabimmel, rabammel, rabumm, die bunte MyGruni-Lampion-Demo
zieht lautstark durch den Grunewald, um, wie es heißt, „endlich Licht in
die dunklen Ecken des Energieverbrauch-Hot-Spots Grunewald zu bringen“. Da
kommt mir in den Sinn, was mir die 89-jährige Christine Marahrens erzählt
hat. Ende der Sechziger Jahre residierte sie am Kleinen Wannsee in einer
alten Villa mit Garten und Pool. Auf einer Party, „bei der die halbe
Prominenz Westberlins auf den Tischen tanzte“, kam plötzlich aus dem
Studentenwohnheim von nebenan frech ein Rudel Jungs über die Mauer. „Wir
vergesellschaften euren Pool!“, stellte der Rädelsführer klar. Die
Wannsee-Gesellschaft war baff. Dass die damals noch junge Hausherrin den
Wortführer attraktiv fand, nahm der Situation die Schärfe: Sie lud alle
ein, sich zu amüsieren. Der Schöne hieß Hans-Christian Ströbele und der
Kontakt hielt jahrelang. Nicht viel später verließ Marahrens die feine
Umgebung und führte den linken Buchladen Kirschkern am Hohenzollerndamm.
Die MyGrunis, die nun an mir vorbeiziehen und beheizte Pools kollektivieren
wollen, können sich Ströbele als geistigen Vater auf ihre Fahne schreiben.
Guido Schirmeyer
13 Oct 2022
## AUTOREN
Guido Schirmeyer
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