# taz.de -- das wird: „Das Publikum wird mitten im Tanz sitzen“ | |
> Markus Hoft will zusammen mit sehenden und blinden Tänzer:innen den | |
> Klimawandel erfahrbar machen | |
Interview Lisa Werner | |
taz: Herr Hoft, wie lässt sich Tanz für blindes und sehendes Publikum | |
erfahrbar machen? | |
Markus Hoft: Für nicht sehendes Publikum gibt es die Audiodeskription, | |
heißt: Jedes Stück wird in Sprache übersetzt. Die audiodeskriptierende | |
Person muss auswählen, was sie übersetzt. Zum Beispiel: Der Tänzer bewegt | |
sich langsam zu Boden. Dort dreht er sich, er rollt, er trifft eine andere | |
Person, zusammen erheben sie sich und springen gemeinsam. So wird gesagt, | |
was auf der Bühne passiert. | |
Gibt es weitere Ansätze? | |
Das Publikum ist sehr wichtig, das wird mitten im Tanz sein. Gemeinsam | |
werden vier Personen, Stuhllehne an Stuhllehne, auf der Bühne sitzen. So | |
wird der Tanz um einen herum erlebbar sein. Wir arbeiten mit den Geräuschen | |
unserer Körper am Boden, den Kostümen und der Bewegungen. Wenn ich eine | |
weite Armbewegung mache, wird das Publikum in der Nähe den Luftzug leicht | |
spüren. | |
Darum der Titel „spürbar unsichtbar“…? | |
Tatsächlich wurde der Titel von einer blinden Tänzerin vorgeschlagen. Die | |
Idee ist: Wie kann ich etwas Unsichtbares spürbar machen? Der Tanz ist an | |
sich eine sehr visuelle Kunstform, wie ein Bild. Von mir gesammeltes | |
Treibholz, gewundene Äste und Wurzeln werden dem Publikum zu Beginn | |
gegeben. Später können sie die Objekte untereinander austauschen. In dem | |
Holz ist schon ganz viel Bewegung, man könnte sagen, Tanz enthalten. So | |
kann Tanz haptisch nachgespürt werden. | |
Was ist bei der Zusammenarbeit von Tänzer:innen mit und ohne | |
Seheinschränkung zu beachten? | |
Das ist komplexer. Ich muss schauen, was die seheingeschränkten | |
Tänzer:innen benötigen. Begonnen hat es beim Proberaum. Der musste auch | |
für eine blinde Person gut erreichbar sein. Dann haben wir eine Tänzerin, | |
die recht wenig sehen kann. Bei ihr ist das tages- oder lichtabhängig. Wenn | |
viel Sonnenlicht in den Raum strahlt, wird sie geblendet und sieht nichts. | |
Das geht natürlich nicht. Wir tanzen jetzt auf weißen Böden, damit sie die | |
Körper erkennt. | |
Wie funktioniert das gemeinsame Tanzen? | |
Die seheingeschränkten Tänzer:innen müssen beispielsweise wissen, wann | |
sie sich bewegen können und wann kein Platz ist. Deshalb werden sie auf der | |
Bühne ein wenig geleitet. Genauso müssen unsere Bewegungen beschrieben | |
werden. Ich kann nicht sagen: Macht das nach. Was ich bewege, wie ich mich | |
bewege, muss erzählt und haptisch gezeigt werden. Hauptsächlich arbeiten | |
wir mit Bewegungsthemen, bei ihnen geht es nicht um exakte Bewegungen, das | |
wäre zu schwierig. | |
Was hat das Tanzstück mit dem globalen Klimastreik zu tun? | |
Konkret nichts, aber mit dem Thema „Klimawandel“. Die Grundfrage war: Wie | |
kann ich Tanz für ein nicht sehendes Publikum erlebbar machen. Ich bin hier | |
wie an jedes andere Tanzstück herangegangen. Ich musste dann nur versuchen, | |
das für ein nicht sehendes Publikum zu übersetzen. Mich interessiert der | |
Klimawandel, bin früherer Aktivist, also habe ich das als Thema gewählt. | |
Ich konnte den norwegischen Musiker Terje Isungset, der aus Gletschereis | |
Instrumente baut, für das Projekt gewinnen. Er wird für das Stück nach | |
Bremen kommen. | |
Sehen Sie den Tanz denn als eine Fortsetzung Ihres Umweltaktivismus? | |
Zum Teil. Ja, es gibt da eine Fortsetzung oder auch eine Übertragung. Ich | |
finde, dass beides zusammengeht. Ich war bei den letzten Klimademos als | |
Stelzenläufer mitgelaufen. Ich finde, dass sich Tanz in Politik einmischen | |
oder in ihr mitmischen kann. | |
23 Sep 2022 | |
## AUTOREN | |
Lisa Werner | |
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