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# taz.de -- Orte des Wissens: Ein bisschen Arkadienim Ödland
> Am Hanse Wissenschaftskolleg wird interdisziplinär gedacht – in
> Delmenhorst, also abseits des akademischen Betriebs
Delmenhorst ist nicht gerade ein Tourist*innenmagnet. Hoch verschuldet
und mit einer hohen Arbeitslosenquote ist die Stadt im Jahr 2015 in einer
Statistik zu der Anzahl der Übernachtungen auf dem letzten Platz gelandet.
Und doch kommen jedes Jahr Wissenschaftler*innen und Künstler*innen
aus aller Welt angereist, um dort ihren Projekten nachzugehen: Das liegt am
Hanse-Wissenschaftskolleg (HWK). Dieses „Institute for Advanced Studies“,
das jährlich 40 bis 60 Gastwissenschaftler*innen empfängt, wird jetzt
25 Jahre alt.
Die Wissenschaftler*innen erhalten ein Stipendium, ein sogenanntes
Fellowship. „In ihrer Zeit im Institut widmen sie sich dem
Forschungsprojekt, mit dem sie sich beworben haben“, sagt Pressesprecher
Bijan Kafi. Die Projekte können aus allen Bereichen kommen, wobei es einige
teilweise regional bedingte Schwerpunkte gebe.
Dazu gehören Meeresforschung und erneuerbare Energien, aber auch auf Neuro-
und Kognitionswissenschaft liege ein Fokus des Instituts. Zudem gebe es
einen sozial- und geisteswissenschaftlichen sowie einen
literarisch-künstlerischen Forschungsbereich. „Es ist etwas Besonderes,
dass es bei uns Geistes- und Naturwissenschaften unter einem Dach gibt“,
sagt Kafi, die meisten Institute seien auf eine der Richtungen
spezialisiert.
Susan M. Gaines, ehemalige Fellow und Gründerin des Forschungsprogramms
„Fiction Meets Science“, sieht darin eine der Stärken des Instituts:
„Gespräche zwischen Geistes- und Naturwissenschaftler*innen kommen
normalerweise nicht zustande, aber am HWK finden sie täglich statt.“ Die
Romanautorin Gaines war 2002 zufällig auf das Institut aufmerksam geworden,
als ein Professor der Universität Bremen ihr vorschlug, ein Sachbuch am
Kolleg zu schreiben. „Ohne das HWK hätte ich das Buch nie geschrieben“,
sagt sie.
Auch die Künstlerin und Regisseurin Lena Kußmann, die dieses Jahr über das
Programm „Artists in Residence“ am HWK war, um an ihrem Projekt über Wasser
zu arbeiten, findet den Austausch zwischen Künstler*innen und
Wissenschaftler*innen verschiedenster Disziplinen produktiv: „Wenn man
an der Uni forscht, bleibt man meistens an seinem Fachbereich.“ Den Dialog
mit anderen Bereichen müsse man dort forcieren, während er durch die
Struktur des HWK von selbst geschehe. Beide ehemaligen Gäste des Instituts
erinnern sich gern an die wöchentlichen Fellow Lectures zurück, bei denen
jeweils ein Fellow einen Vortrag über sein Thema hält, sodass es alle
verstehen können. „Im Prinzip ist es wie eine WG für Forschende“, sagt
Kußmann.
Das Kolleg wurde immer mal wieder infrage gestellt, 2012 durch den Bremer
Haushalts- und Finanzausschuss, zuletzt 2020 vom dortigen
Landesrechnungshof. Dabei ist es ein weltweit angesehenes Institut, das
laut Gaines sowohl die regionale Wissenschaft ankurbelt als auch die
Sichtbarkeit der Universitäten von Bremen und Oldenburg steigert. So zog
der Gründungsrektor des HWK und bekannte Hirnforscher Gerhard Roth
Wissenschaftler*innen an. Nach ihm leitete es der renommierte
Schweizer Biologe Reto Weiler. Aktuell heißt die Rektorin Kerstin Schill:
Die Informatikerin und Humanbiologin [1][ist zugleich Vize-Präsidentin der
Deutschen Forschungsgemeinschaft].
Zur Feier des Jubiläums gibt es eine Reihe öffentlicher Vorträge: So
referiert Starsoziologe Armin Nassehi am 5. Oktober über die Grenzen der
Wissenschaft, schon am 19. September untersucht der Oldenburger Bioethiker
Mark Schweda die Risiken und Nebenwirkungen partizipativer Forschung. Beim
Tag der offenen Tür am 24. September erhalten Gäste einen Einblick in die
Forschung der Fellows. „Ich glaube, dass es in der heutigen Zeit wichtiger
denn je ist, diesen internationalen Austausch zu fördern“, sagt Kußmann.
Emma Rotermund
19 Sep 2022
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## AUTOREN
Emma Rotermund
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