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# taz.de -- Ankunft im Himmel
> Lena Oberdorf, Leistungsträgerin beim VfL Wolfsburg und drittbeste
> Fußballerin Europas, über gestiegene Aufmerksamkeit durch die
> Europameisterschaft in England und die ungleichen Bedingungen in der
> hiesigen Frauen-Bundesliga
Bild: Konstant robust: Lena Oberdorf (l.) möchte wieder Titel gewinnen
Aufgezeichnet von Frank Hellmann
In meiner Heimat bin ich als Fußballerin schon vorher erkannt worden, aber
jetzt werde ich auch an der Ampel kurz angehupt, gegrüßt und gesagt: „Hey,
hast gut gespielt!“ Das hat sich nach der Europameisterschaft extrem
entwickelt. Man sieht das auch an den Social-Media-Kanälen bei uns allen:
Das ist echt explodiert. Meine beste Freundin schickt mir jeden Tag
irgendwelche Videos von mir. Jetzt geht es darum, die Aufmerksamkeit
aufrechtzuerhalten. Erstmal sind wir gefragt, indem wir gut Fußball
spielen, aber auch die Menschen, die hoffentlich dranbleiben und ins
Stadion kommen.
Für mich persönlich und die ganze Mannschaft war die EM ein Erfolg, auch
wenn wir gerne den Titel mit nach Hause genommen hätten. Aber vielleicht
kam das noch ein bisschen zu früh. Dritter Platz bei der Wahl zu Europas
Fußballerin ist etwas extrem Schönes, ich weiß aber auch, dass es bei mir
noch einige Potenziale gibt, die ich noch ausschöpfen kann.
Man kann nicht erwarten, dass es jetzt von null auf hundert geht und mit
40.000 Zuschauern auf einmal alles ausverkauft ist. Das ist ein Prozess,
der sich erst Jahre oder vielleicht in dieser Saison entwickeln muss.
Natürlich wünsche ich mir viele Besucher und dass wir mit dem VfL Wolfsburg
noch einmal in der Arena spielen können. Es sollte nicht sein, dass wir
diese Welle verpassen.
Der VfL Wolfsburg, bei dem ich spiele, ist wie eine zweite Familie: Es sind
kurze Wege nach Hause und Mama und Papa können jederzeit kommen, was für
mich auch sehr wichtig ist. Mich reizt der Verein insgesamt extrem. Wenn
ich sehe, wie wir uns entwickelt haben, finde ich es spannend, wie weit es
noch gehen kann. Ich wollte Teil dieser Reise sein. Klar ist auch, dass die
Frauen-Bundesliga qualitativ eine der besten Ligen Europas ist. Ich würde
mir nur wünschen, dass die deutsche Liga mehr Sichtbarkeit erlangt; dass
man sie für alle im TV zugänglich machen kann.
Weil mein Vater auch mein Berater ist, bekommt er wahrscheinlich die ganzen
Medien- und Vereinsanfragen. Dadurch, dass ich meinen Vertrag gerade erst
verlängert habe und ein Fan davon bin, einen Vertrag zu erfüllen, befasse
ich mich Stand jetzt mit solchen Fragen nicht. Es wird zunehmen, dass auch
bei den Frauen Ablöse gezahlt wird wie für Keira Walsh, die von Manchester
City zum FC Barcelona gewechselt ist (für die Rekordablöse von angeblich
mehr als 400.000 Euro; Anm. d. Red.).
Wir haben zwei Titel vergangene Saison geholt: Da wollen wir uns natürlich
noch steigern und drei Titel gewinnen, aber wir wissen auch, dass dies ein
sehr großes Ziel ist. In der Bundesliga ist unsere größte Gefahr der FC
Bayern München, aber wir sehen uns natürlich auf Augenhöhe. Diese Duelle
werden noch intensiver als in den vergangenen Jahren. Eintracht Frankfurt
wird auf lange Sicht zur Konkurrenz, wenn sie konstante Leistungen bringen.
Ich bin auch gespannt, wie sich Bayer Leverkusen oder der 1. FC Köln
entwickeln. Man muss abwarten, wie schnell das fruchtet.
Ganz gleich zwischen Männern und Frauen soll es auch nicht werden. Nicht,
dass wir auch noch anfangen, Schwalben zu machen trotz Videoassistent. Was
wir uns zuerst wünschen, ist Equal Play; dass wirklich alle Mannschaften
die gleichen Bedingungen haben. Wir in Wolfsburg finden ja wirklich den
puren Luxus vor. Als ich von Essen hierher kam, musste ich mich erst mal
dreimal umschauen und habe gedacht: „In welchem Himmel bin ich jetzt
gelandet?“
In großen Teilen der Liga finden die Spielerinnen nicht die
Trainingsbedingungen vor wie in München, Frankfurt oder bei uns. In Essen
hatten wir drei verschiedene Trainingsplätze. Hier in Wolfsburg ist alles
an einem Ort. Wir müssen anfangen, dass jeder Verein einen
Physiotherapeuten dabei hat, damit die Spielerinnen sich vor einem Training
nicht noch selber tapen müssen.“
Auf keinen Fall stelle ich mich um in meinem Spiel. Darüber habe ich auch
mit Trainer Tommy Stroot gesprochen. Wenn ich spiele, dann gehen nur 100
Prozent. Nur mit Auge zu spielen, das funktioniert bei mir nicht. Das würde
mir auch nicht stehen. Defensiv wird die Intensität gleich bleiben.
Vermutlich wird mir einfach mal die eine oder andere Auszeit gegönnt.
17 Sep 2022
## AUTOREN
Frank Hellmann
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