# taz.de -- tazđŸthema: Ruhe sanft in Wellpappe | |
> Manche Menschen lassen sich in SÀrgen aus Karton oder BananenblÀttern | |
> bestatten. Das ist umweltschonender als das Modell âEiche rustikalâ. | |
> Warum auch gĂŒnstige Materialien und ungewohntes Design pietĂ€tvoll sein | |
> können | |
Von Annette Leyssner | |
George Harrison starb 2001 in Los Angeles an Lungenkrebs. Als glÀubiger | |
Hindu wollte der Gitarrist der Beatles den Weg in Richtung Wiedergeburt | |
möglichst umweltschonend antreten. Also lieà er sich in einem Pappsarg | |
einÀschern. | |
Dietmar Kirschenhofer will es ihm gleichtun. Er ist GeschĂ€ftsfĂŒhrer der in | |
Wien ansÀssigen Diki GmbH, und mit Wellpappe kennt er sich bestens aus. | |
Seit 28 Jahren stellt sein Unternehmen alles Mögliche daraus her, und | |
Kirschenhofer tĂŒftelt stĂ€ndig an neuen Verpackungslösungen. Nun gehört auch | |
ein Sarg zum Sortiment. âDabei handelt es sich aber nicht um einen | |
Pappsargâ, sagt Kirschenhofer. Auf diese Feststellung legt er Wert. Der | |
Grundstoff, erklĂ€rt er, heiĂt Fibratec, ein Zellulosematerial aus | |
Holzfasern. âDurch die von mir entwickelte Faltgeometrie wird | |
auĂerordentliche StabilitĂ€t erreicht.â Gefertigt werden die Fibratec-SĂ€rge, | |
die unter dem Handelsnamen Arcum vertrieben werden, in Salzburg. âWir | |
verkaufen 10.000 StĂŒck im Jahr, nach Deutschland gehen 2.500â, sagt | |
Kirschenhofer. FĂŒr sich selbst hat er den allerersten produzierten | |
Fibratec-Sarg reserviert: âDer steht bei mir im Keller, ganz schlichtes | |
Modell in naturbraun.â | |
SĂ€rge aus Holz bekommen also Konkurrenz â und die ist ernst zu nehmen. Beim | |
AufzĂ€hlen der Vorteile findet Kirschenhofer kaum ein Ende: FĂŒr die | |
Bestatter sei die Erfindung gut, denn der Sarg wiege nur 6,5 Kilogramm und | |
könne ungefaltet platzsparend gelagert werden. FĂŒr die Umwelt sei er auch | |
gut, denn bei der Kremierung werde 72 Prozent weniger Kohlenstoffdioxid | |
ausgestoĂen als bei der Verbrennung von HolzsĂ€rgen. Dies habe ein | |
unabhĂ€ngiger Gutachter bestĂ€tigt. âEs ist ein ökologisch sinnvolles | |
Produkt. Zur Herstellung eines massiven Eichensarges mĂŒssen BĂ€ume gefĂ€llt | |
werden. FĂŒr die Herstellung von Fibratec wird Holz verwendet, das im Rahmen | |
der Waldpflege ohnehin anfĂ€lltâ, erklĂ€rt Kirschenhofer. | |
Vorteile habe das Ganze auch fĂŒr die Hinterbliebenen: HolzsĂ€rge kosten | |
circa 700 Euro, die Fibratec-Alternative ist ab 349 Euro erhÀltlich. | |
Derzeit gibt es sieben Designs, bedruckt mit lösungsmittelfreien Farben. | |
Wen beispielsweise das Modell Mohnblume oder âDer Kussâ von Gustav Klimt | |
nicht anspricht, kann den Sarg nach eigenen Vorstellungen verzieren lassen. | |
Kirschenhofer hat zahlreiche SonderwĂŒnsche umgesetzt, zum Beispiel den | |
eines todkranken Mannes, der ein Foto seines Lieblingsstrandes auf seinem | |
Sargdeckel haben wollte. | |
Das BedĂŒrfnis nach Alternativen zu Holz sei da, behauptet Kirschenhofer. | |
âEs ist allerdings entscheidend, dass die Kunden unser Produkt kennen und | |
beim Bestatter danach fragenâ, sagt der Unternehmer. Bestatter seien ein | |
konservativer Menschenschlag. âWenn ich mich bei denen vorstelle, hör ich | |
schon mal: Ach geh, was willst du denn mit der komischen Kisteâ, plaudert | |
Kirschenhofer ĂŒber das mĂŒhsame VertriebsgeschĂ€ft. Also, kurzgefasst: | |
âKunden wollen, Bestatter mauern.â | |
Es gibt natĂŒrlich auch dem Neuen gegenĂŒber aufgeschlossene Bestatter, zum | |
Beispiel den WĂŒrzburger Norbert Papke. Der hat schon frĂŒh SĂ€rge aus Karton, | |
sogenannte Peace Boxes, aus der Schweiz importiert. âSo richtig | |
durchgesetzt hat sich die Peace Box in Deutschland nichtâ, bedauert Gerold | |
Eppler, seit 1992 stellvertretender Direktor beim Museum fĂŒr | |
Sepulkralkultur in Kassel. Das Problem mit der Box: âSie hat durch den | |
Aufdruck Holz vorgetÀuscht. Aber es war deutlich, dass es sich um | |
beschichtete Wellpappe handelt.â Die Schweizer hĂ€tten damit keine Probleme, | |
sagt Eppler. Manche Kantone wĂŒrden die Peace Box zur VerfĂŒgung stellen als | |
kostenlosen âStaatssargâ. | |
Eppler sieht den deutschen Markt dennoch nicht verloren fĂŒr SĂ€rge aus | |
Pappe: Geschickter als die Holzimitation sei eine âBedruckung mit Pfiffâ. | |
Dem hafte dann kein âbilligâ an. | |
âGestaltung mit Pfiffâ, das trifft zu auf die Arcum-SĂ€rge, die der | |
Bestatter Norbert Papke nun von dem Unternehmer Kirschenhofer aus | |
Ăsterreich importiert. FĂŒr Papke gibt es zwei Dinge, die fĂŒr PappsĂ€rge | |
sprechen: Zum einen fehle vielen Kunden das Geld fĂŒr einen Holzsarg. Die | |
Krankenkassen bezahlen seit 2004 kein Sterbegeld zur Deckung der | |
Bestattungskosten mehr. Aber auch wohlhabende Kunden zeigten Interesse an | |
den Boxen, legten auch Wert auf umweltschonende Bestattungen. | |
UmweltvertrÀgliche Fair-Trade-Artikel rund um Bestattungen bietet | |
beispielsweise die Firma Boskamp Greencoffins aus Viersen in | |
Nordrhein-Westfalen an. âGrĂŒne SĂ€rgeâ aus BananenblĂ€ttern, wilder Ananas | |
oder Weidenruten sind sowohl in abgerundeter als auch in herkömmlicher | |
eckiger Form erhÀltlich, mit einer Innenauskleidung aus ungebleichter | |
Baumwolle. Sie âstrahlen eine gröĂere Naturverbundenheit als die | |
traditionellen HolzsĂ€rge ausâ, sagt der FirmengrĂŒnder Mark Jacobs. âDas | |
erleichtert wÀhrend der Beerdigung den Anblick des Sarges. Da gibt es nicht | |
diesen âUh ⊠ein Sargâ-Effekt, dieses beklemmende GefĂŒhl.â Sein Angebot | |
wende sich an diejenigen, âdie sich dazu entschieden haben, einen | |
umweltfreundlichen Lebensstil auch im Todesfall zu praktizieren.â | |
Nicht alle deutschen Bestatter sind, so wie Norbert Papke, von den | |
Alternativen zur traditionellen Holztruhe ĂŒberzeugt. Papke hat beobachtet: | |
âTeile des Bestattungsgewerbes stellen eine falsche Gleichung auf: Eine | |
teure Bestattung sei gleichzusetzen mit einer pietÀtvollen Bestattung, und | |
eine preiswerte zeige mangelnde WertschÀtzung. Die Wahrheit ist, dass sich | |
die PietĂ€t â also die Bestattung des Menschen in WĂŒrde â keineswegs ĂŒber | |
den Preis definieren lĂ€sst.â TatsĂ€chlich sei es lukrativer, BilligsĂ€rge aus | |
Osteuropa zu importieren und hierzulande mit groĂem Gewinn an die | |
Trauernden zu verkaufen. âNur, pietĂ€tvoll ist das gerade nichtâ, sagt der | |
Bestatter. âArcum-SĂ€rge sind nicht unwĂŒrdig oder zweite Wahlâ, betont er. | |
Sie hÀtten eine ansprechende Gestaltung und seien wasserdicht und robust. | |
âDa liegt sich nichts durch. Einfache HolzsĂ€rge aus 19 Millimeter starken | |
Kieferbrettern sind oft weniger belastbar als unsere FaltsĂ€rge.â | |
10 Sep 2022 | |
## AUTOREN | |
Annette Leyssner | |
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