# taz.de -- Andreas Speit Der rechte Rand: Warum für den Verfassungsschutz Que… | |
Party und Protest: In Hamburg ist die „Querdenken“- und | |
Corona-Leugnenden-Bewegung weiter aktiv. Eine Mobilisierung zu großen | |
Aktionen scheint ihr an der Elbe zwar gegenwärtig nicht mehr zu gelingen, | |
doch kleine Aktionen finden weiter statt. Für dieses Wochenende wird in | |
Telegram-Kanälen gleich zu zwei Demonstrationen aufgerufen, in den | |
Stadtteilen Poppenbüttel und Harburg. Die beiden Demos haben dasselbe | |
Motto: „Für Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung“. | |
Erneut warnt der Hamburger Verfassungsschutz (LfV) vor der Teilnahme. Seit | |
einem Jahr beobachtet er die Bewegung unterm Stichwort „Delegitimierer des | |
Staates“. Den Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung | |
des Staates“ hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) im April | |
vergangenen Jahres eingerichtet. Landesämter und -behörden nahmen die | |
Bezeichnung auf. In Politik und Medien gab es daran fast keine Kritik. Ein | |
Motiv könnte sein, dass sowohl Politiker:innen als auch | |
Journalist:innen begrüßen, dass das BfV schnell auf die sich | |
radikalisierende Bewegung reagiert und die Zuständigen nicht erst nach | |
Jahren zu einer bundesweit einheitlichen Bewertung und Beobachtung | |
abstimmt, wie im Fall der Reichsideologiebewegung. Die beobachtete der VS | |
erst seit 2016, nachdem in Bayern ein Reichsbürger einen Polizeibeamten | |
erschossen hatte. | |
Die Vorhaltung der „Delegitimierung des Staates“ könnten die Geheimdienste | |
jedoch auch gegenüber anderen Bewegungen erheben, die die bestehenden | |
Verhältnisse hinterfragen und Veränderungen anstreben. Versucht hat das BfV | |
noch, den Phänomenbereich für alle VS-Strukturen etwas einzugrenzen – und | |
offenbart dabei die Problematik der Extremismustheorie: Auf seiner Website | |
führt das Bundesamt als Charakteristikum etwa an, dass in der Szene | |
„Verschwörungstheorien“ verbreitet werden, in denen die „fundamentale | |
Ablehnung des Staates und seiner Repräsentanten zutage“ trete, diese sei | |
durch „antisemitische Ressentiments“ geprägt. Weitere Charakteristika seien | |
die Bedrohung von Politiker:innen sowie die Zustimmung bei Gewalt- und | |
Tötungsszenarien. Vor allem in den sozialen Medien, wo auch ein | |
„Systemsturz“ diskutiert werde. | |
Diese Merkmale hat die Bewegung aber nicht exklusiv, sie kennzeichnen | |
ebenso den Rechtsextremismus. Der Verfassungsschutz betont denn auch, dass | |
über Verschwörungserzählungen „eine Brücke zu Rechtsextremisten sowie | |
‚Reichsbürgern‘“ geschlagen wird. Warum aber dann ein neuer | |
Phänomenbereich? Das Dilemma für die Verfassungsschützer*innen ist, | |
dass sie diese Bewegung nicht als rechtsextrem einstufen können, weil sie | |
dann einräumen würden, dass sich ein neues rechtsextremes Milieu aus der | |
Mitte der Gesellschaft etabliert hat. Doch in der Logik der | |
Extremismustheorie kann nicht sein, was nicht sein darf: ein Extremismus | |
aus der Mitte, dessen Personal eben keine rechte Vita hat. | |
11 Aug 2022 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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