Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Mountainbiker*innenauf Abwegen
> Waldspaziergang (II): Die taz nord beschäftigt sich in dieser Serie mit
> dem Sehnsuchtsort der Deutschen, dem Wald. Doch wie idyllisch ist es dort
> noch, bei so viel Freizeitsport?
Bild: Runter geht‘s vom Brocken mit Tempo: deshalb lieber mit Helm
Von Hannah Reupert
Menschenmassen bewegen sich durch die Berglandschaft im Harz, rauf auf den
Brocken. Wander*innen in Kniestrümpfen und karierten Shorts laufen vor
Familien mit quengelnden Kindern; sonnenverbrannte Junggesell*innen mit
Dosenbier werden von den vielen auf- und ab flitzenden Mountainbiker*innen
mit neonfarbenen Helmen überholt. Ab und zu dampft die Brockenbahn pfeifend
vorbei.
„In den 60ern war das Skilaufen Mode, nun ist es das Mountainbike fahren“,
sagt der ehemalige Sprecher des Nationalparkfördervereins Friedhart Knolle.
Knallige Skianzüge sind Radlerhosen gewichen. Gut, es ist Sommer. Aber das
Mountainbiken ist ein Trend, der mehr und mehr Fans gewinnt. Das merkt man
auch im Wald.
Die Facetten des Radsports reichen von Cross Country über Freeride zum
beliebten Abfahren von künstlich angelegten, teilweise illegalen,
Downhillstrecken. Mit Schaufeln und Sägen wird der Boden teils begradigt,
es werden Rampen und Schanzen in den Wald gebaut, wo die Biker runterjagen
und jumpen. Forstämter und Naturschutzbehörden beobachten besonders das
Downhill-Biking mit Sorge. Es verursacht Erosion, schadet der Flora und
stört geschützte Tierarten. Seit mindestens zehn Jahren schwelt hier ein
Konflikt mit verhärteten Fronten.
Besonders im Deister bei Hannover gibt es eine große Biker-Szene. Das
Downhill-Cycling nehme seit Jahren zu, sagt Klaus Abelmann von der Region
Hannover, die auch die Untere Naturschutzbehöde ist. Verstärkt werde das
durch die E-Bikes, die es leichter machen, die Berge zu erklimmen.
Christian Boele-Keimer von den Landesforsten beklagt das Selbstbewusstsein
der Biker-Szene, die einfach mit dem Bau beginne, nach dem Motto: Wenn ihr
uns keine Strecken gebt, fahren wir trotzdem. „Die scheinen fast schon
Freude zu haben an diesem Katz-und-Maus-Spiel“, sagt er.
Die Forstämter wollen aber vor dem Bau gefragt werden. „Die meisten wissen
gar nicht, worauf sie sich da bewegen, man muss in dem Prozess auch mal
inne halten“, sagt Boele-Keimer. Der Deister sei teils ein historischer
Wölbeacker mit alten Wallanlagen und stehe unter Bodendenkmalschutz. Als
Verbündete bezeichnet Boele-Keimer Deisterfreun.de, einen 2012 gegründeten
Verein von Mountainbiker*innen, der sich für mehr legale Strecken und die
Interessen der Szene einsetzt. Er arbeitet nach anfänglichem Disput
inzwischen mit den Forstämtern zusammen und reguliert den Andrang.
Die Vorstandsvorsitzende der Deisterfreunde Christina Hachmann kritisiert,
dass die Biker oft als kriminell und rücksichtslos abgestempelt würden.
Gegner*innen der Szene hätten sogar schon Nägel und angespitzte Stöcke
auf den Trails angebracht.
Deisterfreunde als zweitgrößter deutsche Mountainbike-Verein zählt bald
1.000 Mitglieder und verfügt nur über 2,5 legale Strecken. Demgegenüber
gibt es 60 informelle Strecken. Wenn genügend legale Strecken da wären,
bräuchte es auch keine illegalen, argumentiert Hachmann. Sie verweist auf
das niedersächsische Waldgesetz, das vorsieht, Wege als Freizeitangebot zu
schaffen. Der Verein hat Verträge mit der Region Hannover, die aber nur
dann mehr Strecken bewilligen will, wenn ausschließlich auf den legalen
Strecken gefahren wird.
Der Verein bietet an, drei illegale Trails zurückzubauen, wenn drei neue
legale Trails genehmigt würden. Nach den im nächsten Jahr zu erwartenden
Befunden einer Machbarkeitsstudie der Region Hannover über die
Deisternutzung wolle man diesem Vorschlag prüfen, verspricht Boele-Keimer.
Auch im Harz sind Mountainbike-Routen ausgewiesen und auch hier werden ab
und zu illegale Trails entdeckt. Den Skitrend in den 60ern habe man durch
ein Loipen-Netz reguliert, sagt der Naturschützer Knolle. Es gebe aber
immer zwei Prozent, die einfach in die Wildnis wollten.
Schlimmer ist Abfahrt-Ski. Hierfür wurde großflächig Wald gerodet.
Vorschlag zur Güte: Angesichts der milden Winter könnte man den Bikern doch
glatt Schaufeln in die Hände drücken, ihnen die nackten Waldschneisen zur
Verfügung stellen und sagen: Hier, tobt euch aus.
27 Jul 2022
## AUTOREN
Hannah Reupert
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.