# taz.de -- Im Westen nichts Neues | |
> Vor fast 50 Jahren fuhr die letzte Straßenbahn in den Hamburger Westen. | |
> Seitdem warten Tausende Menschen in der Großsiedlung Osdorfer Born auf | |
> eine Anbindung ans Nahverkehrs-Schienennetz. Auch in neuen Plänen sucht | |
> man die S-Bahn dorthin wieder vergeblich | |
Bild: Weit draußen und immer noch ohne S-Bahnhof: Rund 10.000 Menschen leben i… | |
Von Niklas Berger | |
Fast 50 Jahre ist es her, dass Hamburger:innen aus den Bezirken Osdorf, | |
Lurup und Bahrenfeld mit der Bahn in die Innenstadt fahren konnten. Das | |
Ende der Tram sollte Platz machen für die neuen, als komfortabler geltenden | |
Schnellbuslinien und das anwachsende U-Bahn-Netz. Im Zuge der Abschaffung | |
der Straßenbahn erfolgte in den 1970er-Jahren das Versprechen einer | |
Anbindung des Hamburger Westens an das U-Bahn-Netz. Mehrere Anläufe wurden | |
unternommen, alle sind bisher gescheitert. Mal wieder können die Menschen | |
in den betroffenen Gebieten hoffen. | |
Auf Grundlage einer Machbarkeitsuntersuchung hat der Senat 2019 einen | |
konkreten Streckenverlauf ausgewählt, ab dem Bahnhof Holstenstraße soll | |
perspektivisch eine S-Bahn Linie aus dem bestehenden Streckennetz ausfädeln | |
und über fünf neue Haltestellen zum Osdorfer Born fahren. Auch die im Bau | |
befindliche U-Bahn-Linie 5 wird irgendwann nach 2040 in den Hamburger | |
Westen führen, die Arenen bekommen dann ihre eigene Station. „Für die | |
Stadtteile Bahrenfeld, Lurup und Osdorf bringt das eigentlich nichts“, so | |
Jürgen Beeck von der Bürgerinitiative „Starten: Bahn West!“ im | |
taz-Gespräch. | |
Doch nun soll die S-Bahn zum Fahrplanwechsel 2023/24 umstrukturiert werden, | |
mit neuem Liniennetzplan und neuen Nummerierungen. Dann wird aus der S31 | |
die S5 und Richtung Bergedorf und Aumühle verkehren zukünftig alle Züge als | |
S2. So soll der Betriebsablauf optimiert und die Fahrgastkapazität erhöht | |
werden. Bis 2030 sind dann die zwei neuen Linien S4 bis nach Bad Oldesloe | |
und S6 in den Süden geplant, die S5 soll bis Kaltenkirchen verlängert | |
werden. | |
„Eine Haltestelle ‚Osdorfer Born‘ oder ‚Ebert-Platz‘ kommt in diesem … | |
nicht vor. Will man die Schnellbahn in den Hamburger Westen sang- und | |
klanglos begraben?“, kritisiert „Starten: Bahn West!“ in einem Statement. | |
Tatsächlich sucht man die geplante Verlängerung der S-Bahn-Linie S6 in den | |
Hamburger Westen in den neuen Plänen vergeblich. Das legt nahe, dass eine | |
Fertigstellung der Trasse erst weit nach 2030 realisiert werden könnte. „Es | |
ist uns schon so oft eine Bahn versprochen worden, jetzt muss sie endlich | |
gebaut werden“, fordert Jürgen Beeck, nach Bad Oldesloe und Kaltenkirchen | |
funktioniere es schließlich auch. | |
„Die Ausbauprojekte für die Strecken nach Bad Oldesloe und Kaltenkirchen | |
sind früher aufgenommen worden und entsprechend wesentlich weiter | |
fortgeschritten, teils in Umsetzung, und konnten daher bereits im | |
Liniennetz 2030 berücksichtigt werden“, teilt die Verkehrsbehörde auf | |
taz-Anfrage mit. Einen konkreten Zeitplan für die Strecke zum Osdorfer Born | |
könne man erst nach Abschluss aller Planungsverfahren vorlegen. | |
Dass es mit der Planung auf der Strecke zum Osdorfer Born länger dauert, | |
hat mehrere Gründe. Anders als bei den S-Bahn-Erweiterungen im Hamburger | |
Norden müssen für die Verlängerung der S6 gänzlich neue Trassen gebaut | |
werden, zum Teil auch unterirdisch. Bei den Linien S4 und S5 müssen dagegen | |
nur bestehende Trassen erweitert werden. | |
Ein anderes Problem in der Planung der neuen S-Bahn liegt auf der geplanten | |
Route. Mit der Verlängerten S6 soll auch die Science-City Bahrenfeld rund | |
um das Desy-Forschungszentrum in Bahrenfeld erschlossen werden, die | |
Erschütterungen und elektromagnetische Emissionen aus dem Fahrbetrieb | |
könnten jedoch die feinen Messinstrumente der Forschenden stören, ein | |
entsprechendes Gutachten hat der Senat 2021 in Auftrag gegeben. „Demnach | |
müsste die S-Bahn weiträumig um das Desy herumgeführt werden und sogar in | |
den Volkspark hereinführen“, so Jürgen Beeck. Nicolai Meyer, | |
Verkehrsreferent der Hamburger Linken findet: „Dass man jetzt seit fünf | |
Jahren untersucht, ob man da, wo man am liebsten die Bahn bauen möchte, | |
auch eine Bahn bauen kann, das ist ein Zeitablauf, der so faktisch gar | |
nicht mehr hinnehmbar ist.“ | |
Die größte Hürde für die Realisierung der S-Bahn in den Westen ist jedoch | |
ausgerechnet das Bundesverkehrsministerium. Das hat 2020 zur Entlastung des | |
Nadelöhrs zwischen Hauptbahnhof, Dammtor und Altona die Verlegung der | |
S-Bahnen in einen zweiten S-Bahn-Tunnel vorgeschlagen. In dem würden die | |
S-Bahnen nicht mehr wie bisher über Sternschanze und Holstenstraße nach | |
Altona fahren, sondern an den Stationen Schlump und Doormannsweg halten. | |
Doch erst wenn beim Verbindungstunnel Klarheit herrscht, können die | |
Planungen rund um die S6 weitergehen, denn die sollte bei der dann | |
eventuell stillgelegten Station Holstenstraße beginnen. „Hätte man sich die | |
Option offengelassen, die neue Strecke von Bahnhof Diebsteich beginnen zu | |
lassen, dann wäre man jetzt unabhängig von den Tunnel-Planungen des | |
Bundes“, so Meyer. Der Senat möchte nun noch einmal alternative | |
Streckenverläufe prüfen. | |
Um den Hamburger Westen schneller ans Schienennetz anzubinden, fordert Die | |
Linke als weniger aufwendige Alternative eine Straßenbahn auf der geplanten | |
U5-Linie und weiter bis zum Osdorfer Born, die Baukosten für einen | |
Kilometer Straßenbahn seien mit 20 Millionen Euro um den Faktor zehn | |
geringer als bei unterirdischen U- und S-Bahnen, so Meyer. „Inklusive | |
Planungsprozess und Bauzeit könnte eine Straßenbahn im Gegensatz zur U und | |
S-Bahn bis 2030 realisiert werden.“ „Starten: Bahn West!“ befürchtet, da… | |
eine Straßenbahn schnell an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen könnte. | |
Bis die S-Bahn irgendwann nach 2030 fertiggestellt wird, fahren die | |
Buslinien 2, 3 und X3 in den Westen. Damit die nicht auch noch im Stau | |
stehen, fordern Jürgen Beeck von „Starten: Bahn West!“ und Die | |
LinkeBusspuren als Brückenlösung. Die Verkehrsbehörde prüft das derzeit auf | |
einem Teil der Strecke, ob und wann die Busspuren kommen, ist jedoch | |
ebenfalls unklar. | |
10 Aug 2022 | |
## AUTOREN | |
Niklas Berger | |
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