# taz.de -- Über das Refugium Stipendium: Eine Auszeit für den Journalismus | |
> Sie kommen aus Burundi, der Ukraine oder Afghanistan nach Berlin, um nach | |
> traumatischen Erlebnissen in der Heimat Luft zu holen. | |
Bild: Auszeit Stipendiat Solomon Kebede Taffese und Kuratoriumsmitglied Andreas… | |
Die ersten Tage sind die Schwersten: Mülltrennung – was ist das denn? | |
Sonntags sind die meisten Geschäfte in Berlin geschlossen – wie | |
ungewöhnlich. Busse, U- und S-Bahnen – wie verwirrend. | |
Neun Auszeitstipendiat*innen haben diese Alltagsprobleme im friedlichen | |
Berlin bislang bewältigt. Die taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen | |
haben die JournalistInnen gemeinsam eingeladen, um ihnen Gelegenheit zu | |
geben, sich auszuruhen und Luft zu holen. Sie kamen aus Burundi und Uganda, | |
aus Somalia und der Ukraine, aus der Türkei und Afghanistan – und hatten | |
alle eines gemeinsam: Nach traumatischen Erlebnissen in der Heimat waren | |
sie zunächst oft hoch angespannt und unfähig abzuschalten. | |
Einer war so nervös, dass er seinen Koffer auf dem Gepäckband des | |
Flughafens Tegel vergaß, eine wollte gleich einen TV-Bericht in ihre Heimat | |
absetzen, eine andere Kollegin konnte nicht eine Minute von ihrem Handy mit | |
den Nachrichten von zu Hause lassen. | |
## Sie alle haben schwere Zeiten hinter sich | |
Mit der Zeit jedoch haben sie sich etwas beruhigt – und das ist der Sinn | |
des Auszeitprogramms: Erholen, Nachdenken, Lesen, sich eine fremde Stadt | |
anschauen, Museen besuchen oder einfach nur in den Himmel schauen. | |
Denn sie alle hatten schwere Zeiten hinter sich: Sie wurden beobachtet, | |
bedroht, und nicht nur das. Sie wurden immer wieder inhaftiert, manche von | |
ihnen sogar gequält und gefoltert. Einer saß über drei Jahre lang im | |
Gefängnis. | |
Es ist eine fatale Entwicklung, die immer weiter um sich greift: Wenn die | |
Berichte der Journalist*innen lokalen Machthabern, Drogenbaronen, | |
Rebellengruppen, von denen wir zum Teil noch nie etwas gehört haben, nicht | |
passen, dann kann das Leben von Journalist*innen und ihre Arbeit zu einem | |
Ritt durch die Hölle werden. | |
Aber auch die alltägliche Arbeit in sozialen Brennpunkten laugt aus. Wer | |
zum Beispiel in den Favellas von Rio de Janeiro mit Mord, Erpressung, | |
Drogenhandel konfrontiert wird, wer, wie in Nepal, Korruption im | |
Gesundheitswesen aufdeckt, wer im Irak und in Syrien den Kampf gegen den | |
Islamischen Staat an der Frontlinie beobachtet, der hat irgendwann mal | |
keine Kraft mehr. | |
Die Stipendiat*innen bleiben zwischen drei und sechs Monate in Berlin, sie | |
wohnen in einer Maisonette-Wohnung in Kreuzberg, sie erhalten ein | |
Taschengeld, sie bekommen eine Umweltkarte und täglich ein Essen in der | |
[1][taz-Kantine]. Wir finanzieren psychologische Betreuung, zuweilen | |
Sprachkurse, und versuchen journalistische Fortbildung zu organisieren. | |
## Das Programm hat sich entwickelt | |
Ermöglicht wird das Programm von Spenden. Die Brüsseler NGO Protect | |
Defenders sowie die Evangelische Kirche und die Schilf Stiftung haben auch | |
über die Jahre punktuell Geld dazugegeben. | |
Die taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen haben inzwischen aus | |
Fehlern gelernt: Um die schweren ersten Wochen zu erleichtern, kümmert sich | |
nun ein/e Betreuer/in um die Gäste. Und Journalist*innen aus Afrika laden | |
wir nicht mehr in den dunklen Wintermonaten nach Berlin ein. Seit 2015 wird | |
das Programm durchgeführt. | |
Wer unter den vielen Bewerber*innen ausgewählt wird, entscheiden die taz | |
Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen gemeinsam. Die NGO organisiert | |
Visum, Versicherung und psychologische Betreuung, die taz Panter Stiftung | |
kümmert sich um den Alltag der Gäste. | |
Im Auswärtigen Amt treffen einige von ihnen auch die Beauftragte für | |
Menschenrechte, Bärbel Kofler. Sie will sich persönlich über das Schicksal | |
von Journalist*innen informieren – die Auszeit-Stipendiat*innen sind gute | |
Quellen. | |
28 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] /!p4237/ | |
## AUTOREN | |
Andreas Lorenz | |
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