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# taz.de -- Rücktritt von Boris Johnson: Chronologie eines Abgangs
> Nach der Rücktrittserklärung von Boris Johnson streiten Tory- und
> Labour-Abgeordnete über das weitere Verfahren. Andere bringen sich in
> Stellung.
Bild: Seine Frau Carrie Johnson und die letzten Getreuen während seiner Rückt…
London taz | „Selbst wenn die Dinge düster erscheinen, unsere gemeinsame
Zukunft wird eine goldene sein“, sprach der britische Premierminister Boris
Johnson recht optimistisch und kündigte so seinen Rücktritt an. Wieso er
gehe? Es sei „der Wille der parlamentarischen konservativen Partei, dass es
einen neuen Parteiführer geben sollte und somit einen neuen
Premierminister“, begründete Johnson seinen Rücktritt. In seiner Rede
gestand er keinen einzigen Fehler ein, sondern erwähnte stattdessen seine
Errungenschaften. Darunter der Brexit, sein wohl größter Triumph aus dem
Jahr 2019, das Impfprogramm und das Wiederaufbauprogramm für sein Land.
Den nun beginnenden „exzentrischen Führungswechsel“ habe er vermeiden
wollen, sagte Johnson und schob die Schuld auf den „Herdentrieb“ seiner
Partei. Johnson sagte auch, dass der Zeitplan für den Führungswechsel in
seiner Partei am Montag bekannt gegeben werde, außerdem dankte er seinen
Wähler:innen für ihr Vertrauen. Während Regierungsangestellte,
Kabinettsmitglieder und seine Frau applaudierten, waren auch Buhrufe von
den Straßen des Regierungsviertels zu hören.
[1][Somit ist das Ende der Ära Johnson nun offiziell erklärt.] Jedoch
begann der Tag noch in der Annahme, dass Johnson trotz der Rücktritte von
45 Regierungsmitgliedern weiterkämpfen werde. Schon gegen sieben Uhr in der
Früh wurden dann aber neue Rücktritte bekannt, darunter der des derzeit
wichtigen Nordirlandministers Brandon Lewis, sowie der erst am Vortag
ernannten Erziehungsministerin Michelle Donelan. Dann, kurz vor acht Uhr,
erfolgte der Dolchstoß von Nadhim Zahawi, dem von Johnson ebenfalls frisch
ernannten Finanzminister. Er trat zwar nicht zurück, veröffentlichte aber
einen Brief, in dem er, als langjähriger Freund, Johnson den Rücktritt
empfahl. Keine halbe Stunde später ließ 10 Downing Street die ersten Medien
wissen, dass Johnson als Parteiführer zurücktreten werde und bis spätestens
Oktober 2022 ein Auswahlverfahren für einen neuen Parteiführer und
Premierminister aufsetzen werde. Boris Johnsons Privatsekretär James
Duddridge gab derweil bekannt, dass Johnson so lange nicht abdanken werde,
bis es Ersatz für ihn gäbe.
Doch anstatt nun die Diskussionen um Boris Johnsons Führung zu beenden,
entfachte ein alter Streit mit neuem Inhalt: Denn wie schnell soll Johnson
sein Amt aufgeben? Manche Abgeordnete gaben an, er solle das Amt sofort
niederlegen. Andere meinten, dass Johnson durchaus für eine Übergangsphase
im Interesse der Regierungsgeschäfte im Amt bleiben könne. Labour-Chef Keir
Starmer versprach, dass er ein parlamentarisches Misstrauensvotum gegen
Johnson organisieren werde, wenn dieser nicht bald gehen werde – oder
Neuwahlen.
## Wer tritt Johnsons Nachfolge an?
Wie lange es nun tatsächlich dauern wird, bis Johnson endgültig weg ist,
wird am Montag vom konservativen Hinterbänkler:innenkomitee, dem 1922
Committee, entschieden. Dieses Parteigremium hätte Johnson – hätte er nicht
seinen Rücktritt erklärt – mit aller Wahrscheinlichkeit durch eine
Regeländerung und ein darauf folgendes Misstrauensvotum aus dem Amt
geworfen.
Abgeordnete im Unterhaus wollten zunächst vor allem wissen, wie Johnson
überhaupt regieren könne, nachdem am Ende fast 60 Abgeordnete in
ministerialen Posten zurückgetreten seien. Kabinettsmitglied Michael Ellis
sagte im Namen der Regierung, dass die wichtigsten Ämter weiterhin mit
Ministern besetzt wären und alle Regierungsdienste weiterarbeiten würden.
Gegen elf Uhr erklärte 10 Downing Street dann, dass man ein volles neu
besetztes Kabinett für eine Übergangsregierung besitzen würde.
[2][Mit Johnsons Rücktrittsankündigung beginnt nun auch ernsthaft die Frage
seiner Nachfolge.] Die Chancen von Ex-Gesundheitsminister Sajid Javid etwa
sind seit seiner Rücktrittsrede am Mittwoch gestiegen. Viele Abgeordnete
erwähnen weiterhin den ehemaligen Finanzminister Rishi Sunak. So manche in
der Partei fordern jedoch Kandidat:innen, die nichts mit der Regierung
Johnsons zu tun haben. Dazu zählt der ehemalige Gesundheitsminister Jeremy
Hunt, der zum moderateren Flügel gehört. Neben ihm hat sich auch Steve
Baker, ein hartnäckiger und lauter libertärer Hinterbänkler gemeldet,
dessen Markenzeichen der Einsatz für einen harten Brexit war, der sich
gegen die Covidlockdowns stellte und Klimawandelskeptiker ist. Suella
Braverman, die in London geborene Generalstaatsanwältin, deren Eltern
indischstämmige Einwanderer aus Kenia sind, gab ebenfalls an, sich für das
Premierministeramt zu interessieren. Die Partei wird sich nun entscheiden
müssen, welcher Flügel ihr wichtiger ist. Johnsons Vorgängerin Theresa May
formulierte die Hoffnung, dass der nächste Premier die Risse im Land und in
der Partei heilen werde.
7 Jul 2022
## LINKS
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[2] /Johnson-Nachfolge-bei-den-Tories/!5862547
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
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