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# taz.de -- Intensiv begrünte Trostlosigkeit
> Ende 2002 wurde der Hamburger Bauwagenplatz Bambule geräumt. Wo früher
> Menschen lebten, so wie sie selbst es sich ausgedacht hatten, sagen heute
> Straßenschilder und Zäune, wo es lang geht. Der Versuch, das Gelände mit
> Kleingärten zu neuem Leben zu erwecken, misslang. Ein Streifzug
aus Hamburg Anke Schwarzer und Hannes von der Fecht (Fotos)
Das schulterhohe Gatter ist verschlossen. Hinter dem Zaun weitere Zäune,
die das Grundstück in acht Einheiten zerlegen. Unbefugtes Betreten können
sie allerdings kaum verhindern. Wer keinen Schlüssel für eins der acht
Türchen hat, muss nur das Knie etwas heben, um die wadenhohe Umzäunung zu
überwinden.
Grenzmarkierungen auch auf dem Kopfsteinpflaster vor dem zum Teil brach
liegenden Gelände im Hamburger Karolinenviertel zwischen Messegelände und
Sankt Pauli. Frisch gezogene Parklinien zeigen, wo Parken gestattet ist.
„Aber nicht länger als drei Stunden!“ sagen die Verbotsschilder. Nicht
weniger als neun Stück stellte die Stadt Hamburg auf den wenigen Metern der
Vorwerkstraße auf – offenbar in Erinnerung an andere Zeiten, als
Dauerparker nicht nur länger als drei Stunden blieben, sondern sich sogar
häuslich einrichteten.
Derselbe Ort im Juni 2002: Bauwagen, bunt bemalte Kleinlaster, Bewohner
schrauben an ihren fahrbaren Unterkünften, andere haben es sich im
Klappstuhl am Gehweg gemütlich gemacht. Musik düdelt, Hunde streichen
geschäftig hin und her. Über der Straße hängen Transparente, Sperrmüll
stapelt sich in mancher Ecke.
Doch am 4. November 2002 ist es nach zehn Jahren vorbei mit dem
„Bambule“-Wagenplatz in der Vorwerkstraße. Mit Wasserwerfern und
Räumfahrzeugen vertreibt ein Großaufgebot der Polizei die drei Dutzend
Menschen, die dort noch wohnen. Die Räumung löst in der zu dem Zeitpunkt
noch von Schill mitregierten Hansestadt eine der größten Protestbewegungen
seit der Auseinandersetzung um die Hafenstraße aus. Mehrere Monate lang
sorgen Demonstrationen und umstrittene Polizeieinsätze mit Verletzten auf
beiden Seiten für Schlagzeilen.
In der Vorwerkstraße sind vom Kampf keine Spuren mehr zu sehen. Auf dem
Platz wachsen Sauerampfer, Gräser und Brennnesseln. „Intensiv begrünen“
wolle man das ehemals besetzte Grundstück, hatte das Bezirksamt Mitte nach
der Räumung betont. Anwohner sollten Kleingärten anmieten können.
Allerdings sei derzeit nur die Hälfte der Parzellen vergeben, räumt Marlis
Thomsen, Mitarbeiterin bei der Stadterneuerungs- und
Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg (STEG) ein, der das Grundstück
gehört. Und nur an einer Stelle, wo ein Gartenzwerg mit gelber Zipfelmütze
am Zaun lehnt, wurden tatsächlich Radieschen und Kohlrabi gesät. Jemand hat
eine Plastikbank aufgestellt, in einer anderen Parzelle dreht sich
unaufhörlich ein buntes Windspiel.
„Menschen sieht man hier eigentlich nie“, sagt Anna Holzer, die hier
täglich mit ihrem Hund vorbeigeht. Ein älterer Mann schiebt einen
Einkaufswagen vor sich her, in dem leere Flaschen klirrend aneinander
schlagen. Zeki Uras heißt er, kennt das Viertel seit 25 Jahren und wohnt im
Haus gegenüber. „Man kann einen Garten für 180 Euro im Jahr mieten, aber es
wächst nichts, es ist zu dunkel!“, schimpft er.
Einige Anwohner sähen auf dem Gelände lieber Parkplätze, da sich während
der Messen zu viele Autos im Viertel drängten, berichtet Uras. Von dieser
Idee hält seine Nachbarin, die namenlos bleiben möchte, überhaupt nichts.
Gleichwohl ärgert auch sie sich über die wenigen Parkgelegenheiten und vor
allem über die Zeitbeschränkung von drei Stunden: „Da fragt man sich, für
wen die Plätze gedacht sind, für die Anwohner oder für Messebesucher?“ Sehr
gefreut habe sie es deshalb, als eines Nachts alle Parkschilder abgeflechst
worden seien.
Seit 17 Jahren lebt die Frau mit den blondierten Haaren im Karoviertel. Sie
findet, dass es jetzt ruhiger geworden sei. „Manchmal war ich schon genervt
von dem Platz“, erzählt sie, aber die Räumung sei „unverhältnismäßig“
gewesen. Einige in ihrem Haus hätten es aber begrüßt, dass die jungen Leute
nun weg seien, erzählt sie.
Claudia Grabbe, der ein Schuhgeschäft in der Marktstraße – der
„Hauptstraße“ des Karos – gehört, geht es anders. „Man vermisst die L…
die da gewohnt haben.“ Gemeinsam mit Steffus Mayr von der Künstlergruppe
Elternhaus-Maegde und Knechte, die ebenfalls einen Laden in der Straße
betreibt, hatte sie vor fast drei Jahren eine Unterschriftensammlung gegen
die Räumung des Bambule-Platzes initiiert, an der sich 123 Gewerbetreibende
beteiligten. Die beiden Frauen sind immer noch sauer darüber, dass für
Leute ohne Geld, die anders leben wollen, kein Platz in der Stadt ist. „Der
Senat wollte sie loswerden und hat das Viertel gesäubert“, sagt Grabbe.
Mayr glaubt, dass der Bambule-Platz aus Sicht des Senats ein „Schandfleck“
gewesen sei, den man entfernt habe, um Touristen und Messebesucher nicht
abzuschrecken.
„Total gruselig“ findet ein ehemaliger Bambule-Bewohner das Gelände in
seiner heutigen Form. Auch er möchte seinen Namen lieber nicht in der
Zeitung lesen. „Der Senat hat hier ein Spießerdenkmal errichtet, das
eigentlich gar nicht ins Karoviertel passt“, sagt er. Und erzählt, dass
einige der ehemaligen Bambulisten die Stadt verlassen, sich eine Wohnung
oder einen anderen Wagenplatz gesucht haben. „Manche leben in ihren Wagen
wild auf der Straße“, sagt er. Der Hamburger Senat wird das nicht gerne
hören. Bis zum Jahr 2006 will er alle Bauwagenplätze im Stadtgebiet
auflösen. Derzeit gibt es nur noch fünf. Zuletzt vertrieben im September
1.400 Polizisten die 30 Bewohner des Bauwagenplatzes Wendebecken.
In der Vorwerkstraße duften gerade die Lindenbäume, die an der
Backsteinmauer des Schlachthofes stehen. Sonst riecht es hier manchmal nach
verwesenden Tierabfällen. In der Mitte des alten Bambule-Platzes prangt
eine Blockhütte mit mehreren verschlossen Türen, an der Vorderwand steht in
schwarzer Farbe gesprüht: „Bambule und Wendebecken kommen zurück!“
28 Jun 2005
## AUTOREN
Anke Schwarzer
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