# taz.de -- „All die unerfüllten Träume würdigen“ | |
> Als Musikerin und Bestseller-Autorin ist die Kanadierin Vivek Shraya | |
> bekannt. Beim Festival „Theaterformen“ präsentiert die trans* Künstlerin | |
> ihre erste Performance „How to Fail as a Popstar“ | |
Interview Hannah Reupert | |
taz: Frau Shraya, hatten Sie als Kind ein Idol? | |
Vivek Shraya: Ja, mein Nummer-eins-Popidol war Madonna. Ich hab wirklich zu | |
ihr aufgesehen. Ich habe es geliebt, wie sie sich immer wieder neu | |
erfindet, neue Styles ausprobiert und mit verschiedenen Leuten arbeitet. | |
Ihre Performance heißt „How to Fail as a Popstar“. Gab es ein | |
Schlüsselerlebnis, das Sie dazu inspiriert hat? | |
Ich habe das Stück geschrieben, als ich 38 war und realisiert habe: In | |
diesem Alter ist realistisch gesehen der Zug abgefahren, als Popstar | |
erfolgreich zu sein. Aber ich wollte etwas kreieren, um diesen Traum zu | |
ehren – und das Scheitern dieses Traums. Ein Popstar zu sein, ist etwas | |
Altersspezifisches, wie bei anderen Professionen auch. Als Tänzer*in zum | |
Beispiel musst du früh erfolgreich sein, deine Jugend ist entscheidend. So | |
ist es auch mit Popstars. Mit 40 kannst du vielleicht noch als | |
Musiker*in erfolgreich sein, aber nicht auf dem Level wie zum Beispiel | |
eine Britney Spears. | |
Sie sind Musikerin, aber Sie schreiben auch Sachbücher und Romane und | |
drehen Filme. Wie sieht Ihr künstlerischer Alltag aus? | |
Ich versuche, so viel wie möglich künstlerisch aktiv zu bleiben. Wenn man | |
jung ist, gibt es diese Idee: Du machst die Kunst, wenn du dich inspiriert | |
fühlst. Aber je älter ich werde, desto mehr realisiere ich, dass Kunst eine | |
Disziplin ist, wie ein Muskel. In dem Sinne, wie du für deinen Körper ins | |
Fitnessstudio gehst, musst du künstlerisch aktiv bleiben, um besser zu | |
werden. Das bedeutet nicht immer, etwas zu kreieren. Ich liebe es, ins | |
Theater zugehen, in Galerien – ich liebe es, die Kunst anderer zu sehen. | |
Was auch immer ich regelmäßig tun kann, um in der kreativen Welt zu sein, | |
entweder andere Künstler*innen zu entdecken oder Kunst zu machen. Diese | |
Dinge ermöglichen es dem kreativen Muskel, aktiv zu bleiben. | |
Glauben Sie, dass andere Künstler*innen ähnliche Erfahrungen in der | |
Musikindustrie gemacht haben? Oder ist Ihr Weg einzigartig? | |
Ich denke es ist beides. Es ist natürlich etwas Einzigartiges, ein queeres | |
PoC-Kind zu sein, das in einer Kleinstadt aufwächst und probiert, es zu | |
schaffen. Aber ich glaube auch, dass die Idee des Scheiterns sehr universal | |
ist. Viele Leute, nicht nur Künstler*innen und Musiker*innen, haben | |
Träume, mit denen sie nicht erfolgreich waren. Wir leben in einer Kultur, | |
die es nicht erlaubt, diese Misserfolge zu betrauern. Immer, wenn man | |
scheitert, soll man quasi gleich wieder zurück aufs Pferd springen, | |
versuchen neu zu denken. Wir erlauben uns selbst nicht, das eigene | |
Scheitern zu betrauern. Die meisten von uns haben oder hatten Träume, die | |
nicht realisiert wurden. Dieses Stück ist für mich eine Geste, all diese | |
unerfüllten Träume zu würdigen. | |
Wie ist die Performance jetzt entstanden? | |
Das Wichtigste für mich, weil ich auch Schriftstellerin bin: Ich wollte | |
nicht nur vor dem Computer sitzen und ein Skript tippen, ich wollte einen | |
anderen Ansatz. Und ich nehme diese Schreibaufgaben, aber ich nehme mich | |
mit dem Handy auf und rezitiere die Story, als ob ich sie jemanden erzählen | |
würde. Daraus entwickele ich ein Skript. Wenn du deine Stimme benutzt, um | |
eine Geschichte zu erzählen, ist es so anders, als wenn du sitzt und sie | |
tippst. Ich wollte mich selbst herausfordern, in einem anderen Style zu | |
schreiben. | |
7 Jul 2022 | |
## AUTOREN | |
Hannah Reupert | |
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