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# taz.de -- „Sicher wusste keiner von den Menschen, die da runtergegangen sin…
> Das Stück „Treppe ins Ungewisse“ greift die systematische Ermordung von
> Menschen mit Behinderung durch die Nazis auf
Interview Hannah Reupert
taz: Herr Ostendorf, wie spricht man über Dinge, über die kaum jemand reden
will?
Heiko Ostendorf: Das ist in der Tat schwierig, man spricht darüber, indem
man es einfach tut. Indem man versucht, einen Weg zu finden, Dinge zu
erzählen, die kaum erzählt werden. Indem man ein Angebot schafft, dass es
Menschen ermöglicht, sich mit einem Thema wie diesem auseinanderzusetzen.
Also zum Beispiel, das dann auf die Bühne zu bringen und dort umzusetzen?
Ja. In dem Fall war es ein langer Prozess. Ich habe drei Jahre an diesem
Stück gesessen – genau aus dem Grund, um einen Weg zu finden, wie man das
auf die Bühne bringen kann. Eine Form zu finden, ist das Schwierigste, man
schafft das durch Versuchen. Man schreibt ein Stück, probiert das aus,
schaut, ob das funktioniert, und wenn nicht, dann lernt man daraus und
versucht einen anderen Weg.
Der Titel „Treppe ins Ungewisse“ bedeutet …?
Zum Beispiel in der Tötungsanstalt Hadamar führte der Weg der Opfer über
eine Treppe in den Keller, wo noch mal kurz in die Meldebögen geschaut
wurde, ob es auch die richtigen Menschen sind. Dann wurden sie ausgezogen
und in einen Duschraum geführt, der sich als Vergasungsraum
herausgestellte. Es gab Gerüchte, den Gedanken, dass das Leben zu Ende
geht, aber sicher wusste keiner von den Menschen, die da runtergegangen
sind, was ihn erwartet.
Wie hat sich die Suche nach Zeitzeugenberichten gestaltet?
Die war anfangs schwierig. Wir hatten Glück, dass wir auf Margret Hamm von
der Arbeitsgemeinschaft Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und
Zwangssterilisierten gestoßen sind. Mit ihr habe ich sehr gute Gespräche
geführt. Sie hat uns viele Interviews, die sie und der Bund über Jahre
geführt haben, zur Verfügung gestellt. Dadurch hatten wir einen sehr großen
Pool an Zeitzeugenaussagen, die sehr, sehr wertvoll für uns und letztlich
auch entscheidend für die Formfindung waren.
Welche aktuellen Fragen wirft das Stück auf?
Eine ganze Reihe! Erstens natürlich, warum das nicht ein so großes
politisches Thema ist, wie es vielleicht sein müsste. Zweitens, inwiefern
das Denken, dass Menschen „Ballastexistenzen“ sind, also Menschen überhaupt
ein Existenzrecht haben, wie sehr dieses Denken heute noch in unserer
Gesellschaft verankert ist: Wie viel aus dieser Zeit bis heute erhalten
geblieben ist. Und dann natürlich die Frage: Was ist normal? Was bedeutet
es, nicht der Vorstellung von Norm zu entsprechen?
„Treppe ins Ungewisse“: Theaterstück über Euthanasie in der NS-Zeit, Do,
16. 6., 19 Uhr, im Museumsquartier MQ4, Lotter Str. 2, Osnabrück. Die
Aufführung ist Teil der „Drama Geschichte“ des MQ4
16 Jun 2022
## AUTOREN
Hannah Reupert
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