# taz.de -- Den USA geht die Babynahrung aus | |
> Zu wenige Anbieter und Schlamperei in einem Werk führen zu einem | |
> deutlichen Unterangebot. Betroffen sind vor allem arme Mütter | |
Aus North Carolina Sunny Riedel | |
Die USA sind in einer Beschaffungskrise der besonderen Art: Die Babynahrung | |
geht aus. Und die Berichte von Eltern, die seit Monaten zwischen Panik und | |
Frustration versuchen, ihre Säuglinge zu ernähren, häufen sich. | |
Betroffen sind vor allem Frauen in prekären Jobs, denn in den USA gibt es | |
weder staatlichen Mutterschutz noch Elternzeit wie in Deutschland. Viele | |
Mütter können ihre Kinder wegen langer Arbeitszeiten nicht selbst stillen. | |
Sie sind angewiesen auf synthetische Babymilch. In den sozialen Netzwerken | |
melden sich Mütter zu Wort, die nach Feierabend stundenlang Supermärkte | |
abklappern oder Händler im Umkreis von Hunderten Kilometern abtelefonieren. | |
Eine Mutter berichtet, sie habe Verwandte in fünf verschiedenen Staaten auf | |
die Suche geschickt. Immerhin zwei Babymilchdosen seien dabei | |
herumgekommen. Eine andere zeigt das Ergebnis ihres Versuchs, Kuhmilch zu | |
nehmen: ihr Baby mit juckendem, schmerzenden Ausschlag im Gesicht. Es gibt | |
solche, die die Krise nutzen und Babymilch zu horrenden Preisen im Internet | |
anbieten, aber auch stillende Mütter, die mehr von ihrer eigenen Milch | |
abpumpen, um sie zu spenden. | |
Von einer Krise nationalen Ausmaßes ist nun die Rede, obwohl das Problem | |
bereits seit vielen Wochen besteht. Wie kann es in einem der reichsten | |
Länder der Welt zu einem solchen Lebensmittelengpass kommen? Konzentration, | |
ist eine Antwort darauf. Nur drei Firmen kontrollieren fast den gesamten | |
Markt für Babynahrung in den USA. Und dieser Markt ist angesichts einer | |
seit 2008 schrumpfenden Geburtenrate ein umkämpfter. Einer der größten | |
Hersteller ist, neben Nestlé und Mead Johnson, [1][die Firma Abbott | |
Nutrition mit einem Anteil von zuletzt rund 43 Prozent,] die vor allem die | |
Billigmarken herstellt. | |
Im Oktober 2021 hatte ein ehemaliger Mitarbeiter [2][in einem Bericht] an | |
die Lebensmittelbehörde FDA vor katastrophalen Hygienestandards im | |
Produktionswerk in Sturgis, Michigan, gewarnt. Erst im Januar 2022 war die | |
FDA aktiv geworden und hatte mit einer Überprüfung begonnen. Am 17. Februar | |
schloss Abbott selbst das Werk dann vollständig, nachdem Berichte von mit | |
Salmonellen und Cronobacter, einer Bakteriengattung, verseuchter | |
Babynahrung veröffentlicht wurden. Vier Babys waren betroffen, zwei davon | |
starben. | |
Tatsächlich waren die Bakterien später im Werk gefunden worden, auch wenn | |
Abbott öffentlich behauptet, es gebe keine Hinweise darauf, dass dieselben | |
Bakterien für die Erkrankung der Babys verantwortlich waren. Drei Monate | |
ist das Werk in Michigan mittlerweile geschlossen. Laut Datasembly, einer | |
Plattform, die Bepreisung und Verfügbarkeit von Produkten in Echtzeit | |
erfasst, fehlten Anfang Mai landesweit 43 Prozent der Babymilchprodukte in | |
den Supermärkten. Viele Händler haben bereits eine Höchstkaufmenge | |
festgelegt. | |
Kritik an der FDA wird laut, einige Kongressabgeordnete fordern eine | |
Untersuchung über das Krisenmanagement der Behörde. Am Dienstag hat sich | |
nun die FDA selbst zu Wort gemeldet. Man wisse um die Sorge der Eltern und | |
habe daher die Richtlinien für die Produktion von Babynahrung gelockert, um | |
der Knappheit zu begegnen. Zudem schaue man sich im Ausland nach Produkten | |
um, die „unsere Standards für Nahrhaftigkeit und Lebensmittelsicherheit | |
erfüllen“, so Susan Mayne, Leiterin des Bereichs Lebensmittelsicherheit und | |
angewandte Ernährung der FDA. | |
19 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.ers.usda.gov/amber-waves/2011/september/infant-formula-market | |
[2] https://delauro.house.gov/media-center/press-releases/icymi-delauro-shares-… | |
## AUTOREN | |
Sunny Riedel | |
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