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# taz.de -- berliner szenen: Pause am Bahnhof
Der Regionalzug hat Verspätung. Also Zwangspause am Berliner Hauptbahnhof.
Das Café am Washingtonplatz hat einen Außenbereich; Koffer, Rucksack,
Essenstasche und ein Tablett mit Kaffeebecher balanciere ich zu einem
freien Tisch. Neben mir lassen sich Schwedinnen nieder, fröhlich lachend
und plaudernd, einzig das Wort „Mauerpark“ verstehe ich. Der Wind bläst
plötzlich stürmisch. Wo unter dem Tisch hin mit den Gepäckstücken? Immer
das Tablett im Blick; wird der volle Kaffeebecher dem Wind standhalten? Ich
packe die Zeitung aus, sinnloses Unterfangen, sie weht mir dreimal vom
Tisch.
„Ein bisschen Kleingeld, bitte.“ Der Mann vor mir hat kaum einen Akzent,
aber seine osteuropäische Herkunft lässt sich nicht überhören. Ich
überlege, kurz den Geldbeutel rauszukramen. Dann kommt der zweite Blick auf
den Menschen, das kurze Aufflammen eines schlechten Gewissens, und eine
verneinende Antwort. Das schlechte Gewissen verschwindet, als ich ihn mit
einem Landsmann zwei Tische weiter sprechen sehe. Und die nächste
Bittstellerin zu mir kommt. Auch sie bekommt von mir ein Nein. Die Zeitung
kann ich eh nicht lesen und beobachte den Platz. Etwa zehn Männer und
Frauen sind zwischen den Wartenden unterwegs, die Frauen in bunten Kleidern
und Röcken. Bei der vierten Fragenden probiere ich es mit Kommunikation:
„Sie sind die Vierte, die mich fragt.“ Irritierter Gesichtsausdruck, sie
wiederholt die Frage nach Kleingeld. Bleibt hartnäckig, aber freundlich.
„Haben Sie ein Herz? Geben Sie mir ein bisschen Kleingeld.“
Ich gebe den Kampf gegen den Wind auf und verziehe mich ins Innere des
Cafés. Und kurz bin ich irritiert, die Roma sind auch verschwunden. Auf dem
Platz stehen drei Polizisten. Als sie gehen, läuft das Geschäft weiter.
Elke Eckert
2 Jun 2022
## AUTOREN
Elke Eckert
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