# taz.de -- taz🐾thema: Ein Hauch von Exklusivität | |
> Musik aus aller Welt im Sommer-Jam: Folk-Roots, afrikanische und | |
> ukrainische Künstler:innen, Reggae, Cumbia, Cajun, Zydeco, Balkan-Brass, | |
> brasilianische Legenden und kubanischer Jazz | |
Bild: Stammgast im Berliner HKW: der Brasilianer Gilberto Gil | |
Von Katrin Wilke | |
Nicht nur ein-, zwei-, gar dreimal verschobene Konzerte und Touren können | |
nun endlich stattfinden. Auch Jubiläen werden vielfach nachgefeiert, so | |
auch von den Machern des Rudolstadt-Festivals, das in seiner heutigen, | |
„neudeutschen“ Form vorletztes Jahr 30 Jahre alt wurde. Da sowie 2021 | |
pausierte das größte deutsche Folk-Roots-Weltmusik-Festival pandemiebedingt | |
allerdings. So begeht man diesen runden Geburtstag eben jetzt, vom 7. bis | |
10. Juli. | |
Die große, längst nicht mehr nur innerdeutsche Fangemeinde dieses | |
Riesenevents im thüringischen Saalestädtchen Rudolstadt fiebert ohnehin | |
Jahr für Jahr der nächsten Festivalausgabe entgegen. Umso mehr nach dieser | |
langen Auszeit, wie der besonders rasante Verkauf der Tickets, 10.000 in | |
den ersten zwei Wochen, belegt. Unter den gut 300 diesjährigen | |
Veranstaltungen sind neben Workshops, Diskussionen, dem Kinderfest und Tanz | |
die Konzerte natürlich das Herz des Festivals. | |
Zu den Künstler*innen aus über 40 Ländern gehören die eines noch | |
kurzfristig aus der Taufe gehobenen, kleinen Ukraine-Schwerpunkts sowie | |
zwölf Bands aus den ex-jugoslawischen Nachfolgestaaten, die den | |
Länderschwerpunkt „Titos Erben“ gestalten. Darunter Stars wie das Boban | |
Marković Orkestar & Marko Marković Brass Band aus Serbien sowie Goran | |
Bregović & His Wedding And Funeral Band. Der Bosnier musizierte mit dieser | |
Band schon einmal, zum Auftakt der 10. Geburtstagsausgabe vor zwanzig | |
Jahren. Offenbar hat man das Festivalprinzip über Bord geworfen, niemanden | |
ein zweites Mal zu empfangen, es sei denn mit einem neuen, anderen Konzept | |
oder Format. | |
So verhält es sich bei Rufus Wainwright, einem weiteren Rudolstädter | |
Wiederholungstäter, der mit Maria Farantouri (Mikis-Theodorakis-Hommage | |
gemeinsam mit den Thüringer Symphonikern) oder The Divine Comedy zu den | |
2022er Headlinern zählt. Die Briten würde wohl auch nicht jeder assoziieren | |
mit diesem ursprünglich ganz auf Tanz und Folk verlegten Event, das ja auch | |
nicht von ungefähr seinen mit diesen Elementen versehenen Namen 2016 gegen | |
das allgemeiner, für manche auch austauschbarer klingende | |
„Rudolstadt-Festival“ eintauschte. | |
## Angélique Kidjo und Lura | |
Klipp und klar sowie unverändert der Name des Würzburger Africa Festivals, | |
des größten und ältesten seiner Art nicht nur hierzulande, sondern in | |
Europa. Es findet seit seinen Anfängen 1989 am letzten Maiwochende statt | |
und wartet diesmal unter anderem mit Angélique Kidjo aus Benin, dem | |
malischen Singer/Songwriter Habib Koité und der Kapverdin Lura auf. | |
Wer das in diesem Jahr verpasst oder aber Lust auf mehr hat, kann sich vom | |
4. bis 7. August nach Emmendingen nahe Freiburg im Breisgau zur 20. Ausgabe | |
des African Music Festivals begeben. Das hat eine erkennbar spezielle | |
Reggae-Neigung und fasst ansonsten seine musikalische Ausrichtung mit | |
Afrika und Weltmusik zusammen. Und so ist dieses Jahr genauso gut die | |
Kora-Spielerin Sona Jobarteh aus Gambia auf dem Emmendingener Schlossplatz | |
zu erleben wie zum Beispiel auch der frankospanische Mestizo-Mann Sergent | |
Garcia oder die von Deutschland aus agierende, junge Cumbia-Band El Flecha | |
Negra, die den ganzen Sommer und Herbst über durch deutsche Lande tourt. | |
Die Cumbia sei der neue Punk, so das Kollektiv Frente Cumbiero aus Bogotá | |
über diese aus ihrem Heimatland stammende Musik, die längst ein | |
panamerikanisches bzw. weitweit zelebriertes Phänomen ist. Die Bogotanos | |
haben ihre fusionsbegabte Cumbia-Mixtur schon zuvor am hiesigen, | |
bestenfalls tanzfreudigen Publikum erfolgreich ausprobiert. Zu ihrem | |
bislang festgezurrten Termin am 1. Juli im Berliner SO36, für das man mit | |
einer Madrider DJ und den Berliner Kolumbianern der Folk-Jazz-Band | |
Ambrodavi ein feines Latin-Paket geschnürt hat, kommen womöglich noch | |
weitere hinzu. | |
Frente Cumbiero traten vor zehn Jahren auch schon mal beim Sommerfestival | |
Wassermusik im Haus der Kulturen der Welt auf, dem beliebten, sicher | |
volksnahestem Event im überaus anspruchsvollen Programm dieser | |
emblematischen Berliner Kulturstätte. Die begibt sich ab dem 14. Juli vier | |
Wochenenden lang auch wieder auf musikalische Wasserwege, besser: auf eine | |
Flussfahrt, denn diesmal geht es um den Mississippi als die Wiege | |
US-amerikanischer Musik. Das HKW hatte dieses Thema schon für 2020 | |
angepeilt und geht es nun neu an. | |
Was da im Einzelnen an Bands und Musikern in Sachen „Jazz, Funk, Blues, | |
Cajun, Zydeco, R&B, Folk, Bluegrass sowie alter und neuer Mixturen wie | |
Bounce oder Trailer Trap“ (offizielle Programminfo) zu erleben ist, schiebt | |
sich im Augenblick noch zusammen, so der Musikkurator des Hauses, Detlef | |
Diederichsen. Ihm geht es wie vielen Bookern derzeit: Obwohl die Motoren | |
des internationalen Konzertbusiness wieder angeworfen und die Bands erneut | |
langsam aber sicher unterwegs sind, bleibt es weiterhin natürlich noch | |
schwierig und schwergängig. Mehrere schon für Wassermusik bestätigte Acts | |
seien zwischenzeitlich aus verschiedenen Gründen wieder abgesprungen. | |
Eingetütete Konzerte sind dagegen die einer Minireihe namens HKW do Brasil. | |
Da werden zwei, sehr wahrscheinlich sogar drei ähnlich betagte(re) Legenden | |
der brasilianischen Populärmusik zu erleben sein: Das nunmehr 84-jährige | |
Samba-Urgestein Martinho da Vila (2. 6.), Gilberto Gil (5. 7.) – eine Art | |
Stammgast an diesem Veranstaltungsort – sowie höchstwahrscheinlich noch die | |
Sängerin Gal Costa (13. 7.), die durchaus Seltenheitswert in Deutschland | |
genießt. Konzerte von Künstler*innen wie diesen könne eben – wie | |
Diederichsen wohl zu Recht konstatiert – kein anderer Ort in Berlin machen. | |
Und sie würden sich zudem auch finanziell tragen für diese innerhalb | |
Berlins vermutlich am besten budgetierte Institution. | |
Ein Hauch von Exklusivität umwehen auch die sporadischen | |
HKW-Royal-Konzerte, innerhalb derer der kubanische Jazzpianist Chucho | |
Valdés – ebenfalls zum wiederholten Male – im November auftritt. | |
Doch bevor dann ein hoffentlich doch noch einigermaßen prallgefülltes, für | |
die Veranstalter nicht allzu arbeitsaufwendiges Konzertjahrahr zu Ende | |
geht, gibt es noch einiges zu erleben – darunter die mehrfach verschobenen | |
Konzerte eines weiteren großen Brasilianers: Alceu Valença, der bei seiner | |
Mini-Europa-Tour durch Deutschland kommt (15. 7. Berlin, 23. 7. Stuttgart). | |
Dazu kommen die spleenigen Minyo Crusaders aus Japan, die mit ihrer | |
eigenwilligen Mischung aus heimischem Folk sowie Latin und Afro eine | |
oberpfälzische Burgruine bespaßen (11. 8. Runding). | |
Highlife und Afrobeat satt gibt es für zwei Konzertnächte von der Band | |
Santrofi zusammen mit einem Pionier dieser Musik, dem ebenfalls aus Ghana | |
stammenden A. K. Yeboah sowie im Schlepptau die mit diesen Traditionen | |
ebenfalls bewanderte Berliner Big Band Omniversal Earkestra (1. 6. Köln, | |
2.6. Berlin). Oder aber die Tuareg-Band Tamikrest aus Mali, die seit Mai | |
und noch den ganzen Juni hindurch fleißig durch Europa tourt (13. 6. | |
Berlin, 14.6. Nürnberg). Der Sommer kann also kommen, ist, besser gesagt, | |
musikalisch allemal schon da – against all odds. | |
21 May 2022 | |
## AUTOREN | |
Katrin Wilke | |
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