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# taz.de -- Praktikantin mit 20 Jahren Erfahrung
> In Deutschland werden Pflegekräfte dringend gesucht. Gerade mit Blick auf
> PflegerInnen aus der Ukraine soll es nun einfacher werden, ausländische
> Qualifikationen anerkennen zu lassen
Bild: Immer mehr Menschen stellen einen Antrag auf die Anerkennung ihrer auslä…
Von Betania Bardeleben
Katheryna Nezhentseva hat die Hürden der deutschen Bürokratie kennengelernt
– und gemeistert. 2014 kam die ukrainische Intensiv-Krankenschwester mit
ihrem Sohn nach Deutschland. Ihre berufliche Qualifikation ist hier sehr
gefragt, nicht erst seit der Coronapandemie: Es fehlen Leute im
Pflegebetrieb. Und zwar Tausende. Viele legen ihren Beruf nieder, weil die
Arbeitsbedingungen schlichtweg inakzeptabel sind.
Auch Nezhentseva wollte so schnell wie möglich ihre Ausbildung anerkennen
lassen. Doch die Pflege zählt zu den reglementierten Berufen – das heißt,
eine Behörde muss zunächst feststellen, dass die Qualifikation einer im
Ausland ausgebildeten Person einer deutschen gleichwertig ist. Bei
Nezhentseva errechneten die Behörden, sie habe in fünf verschiedenen
Pflegebereichen über 800 Stunden Lehre nachzuholen. Im Rheinlandkrankenhaus
absolvierte sie diese anschließend in einem neunmonatigen unbezahlten
Praktikum. Und das nach 20 Jahren Berufserfahrung.
Immer mehr Menschen stellen einen Antrag auf die Anerkennung ihrer
ausländischen Qualifikationen im Pflegebereich. Durch die Fluchtbewegung
aus der Ukraine wird die Durchlässigkeit dieser Verfahren nun besonders
relevant – denn viele der Geflüchteten sind gut ausgebildet. Im März
beschlossen die GesundheitsministerInnen von Bund und Ländern,
Vereinfachungen für die Berufsgruppe der ukrainischen Pflegefachkräfte auf
den Weg zu bringen. Zuständigkeiten müssten zentralisiert, Behörden
verzahnt und Kompetenzen gebündelt werden.
Denn bisher sei das Anerkennungsverfahren „wie Rocket Science“, urteilt
Medizin-Fachanwalt Philip Christmann. Selbst mit rechtlicher Begleitung sei
die Anerkennung ausländischer Pflegeausbildungen bisher derart kompliziert,
dass die Leute regelmäßig daran scheitern. Zudem würden Prozesse über Jahre
hinweg verschleppt, so Ildikó Pallmann. Für den gemeinnützigen Verein Minor
Projektkontor für Bildung und Forschung forscht Pallmann vor allem zu
aktuellen Migrationsprozessen und berät auf sozialen Medien. „Viele brechen
den Prozess ab.“
Zuständig für die Anerkennungsverfahren sind die Bundesländer. Der Bund
unterstützt die Verfahren nun durch das Erstellen von Mustergutachten zur
Bewertung ausländischer Abschlüsse, die in den Ländern Verwendung finden.
„Hierdurch werden die Länder entlastet und einheitliche Maßstäbe
geschaffen“, erklärt Marina Schmidt vom Bundesministerium für Gesundheit
(BMG). Zudem finanziert der Bund Sprachkurse sowie berufsintegrierte
Anpassungslehrgänge für die Berufsanerkennung in Verbindung mit einem
individuellen Sprachtraining. Ob es in Bezug auf die Anerkennungsverfahren
Gesetzesänderungen geben soll, werde noch geprüft.
„Behörden haben nun den Auftrag, kooperativer und beschleunigter zu
arbeiten, mehr Tipps zu geben und im Zweifelsfall bei fehlenden Unterlagen
ein Auge zuzudrücken“, sagt Anwalt Philip Christmann. „Die Behörden
erkennen jetzt an, dass es aufgrund des Krieges unmöglich ist, alle nötigen
Beglaubigungen einzuholen.“ Auch wurden viele Seiten der Landesbehörden ins
Ukrainische übersetzt. So können sich die Menschen im ersten Schritt
informieren, wo sie den Antrag stellen können.
## Schnelle Einarbeitung durch gute fachsprachliche Ausbildung
Intensiv-Krankenschwester Nezhentseva sagt, sie habe die neun Monate
Einarbeitung gebraucht, nicht zuletzt wegen fehlender Deutschkenntnisse und
der unterschiedlichen länderspezifischen Standards in den Krankenhäusern.
„Ich musste ganz andere Maschinen und Medikamente kennenlernen, mit den
Computersystemen klarkommen. In der Ukraine wurden zum Beispiel
Laborbescheide per Hand geschrieben“, sagt sie.
Ein weiterer Unterschied in der Arbeit: Viele Basiselemente in der Pflege
sind hierzulande anders als in der Ukraine oder in Drittstaaten.
Nichtmedizinische Basistätigkeiten, wie zum Beispiel Waschen der
PatientInnen, erledigen in der Ukraine eher PflegehelferInnen oder
Angehörige. Ein Unterschied, den Nezhentsevas Bereich der Intensivpflege
zwar nicht betrifft. Dennoch spürt sie eine viel höhere Arbeitsbelastung in
Deutschland, verglichen mit der Ukraine.
Aus Sicht von Andrea Albrecht, Pflegedirektorin des Lukaskrankenhauses in
Neuss, braucht es für eine schnelle Einarbeitung vor allem eine gute
fachsprachliche Ausbildung. „Es geht um Medikation, um Absprache von
Pflegemaßnahmen.“
Die Länder Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern entwickeln mit Unterstützung
des BMG bereits Pilotprojekte für einen praxisintegrierten
Anpassungslehrgang. Maßgebend für die Dauer bis zur Berufsanerkennung wird
sein, wie lange die Personen brauchen, das dafür erforderliche
Sprachzertifikat Deutsch B2 zu erhalten.
Um die Anerkennung zu erleichtern, müssen berufsintegrierte
Anpassungslehrgänge gekoppelt werden mit Sprachkursen und Behörden, die
geschmeidiger unter- und miteinander kooperieren. Damit das Problem des
Fachkräftemangels in der Pflege jedoch tatsächlich langfristig gelöst
werden kann, braucht es die Umsetzung der Pflegereform. Die von der
Ampelkoalition bereits 2021 angekündigte Pflegepersonal-Umsetzung
verspricht die Entlastung der PflegerInnen. Derzeit befindet sie sich noch
in der Prüfung. Ob dabei ein Gesetzesentwurf herausspringen wird, ist
bislang offen.
27 May 2022
## AUTOREN
Betania Bardeleben
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