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# taz.de -- berliner szenen: AGNES hat gewürfelt
Es ist Jagdsaison. Die Seminare an der Humboldt-Uni wurden zugeteilt.
Zugleich mit der Whatsapp-Nachricht eines Kommilitonen bekomme ich
schlechte Laune. „AGNES hat mich nur zu einem Kurs zugelassen. Von 7!!!
Haha“. Widerwillig klappe ich meinen Laptop auf und checke meinen
Stundenplan. Nur zwei Kurse. Mist.
AGNES, das elektronische Prüfungs- und Zulassungsverwaltungssystem der HU,
ist meine Gegenspielerin. Ich gehe trotzdem zu den Kursen. Andere
ebenfalls. 60 Studis erscheinen, 20 sind laut Seminarplan zugelassen, 126
stehen auf der Warteliste. „Hab dieses Mal echt alle Kurse bekommen“, sagt
eine Kommilitonin zu einem jungen Mann. Der schüttelt den Kopf. „Alter –
ich habe einfach gar kein Seminar.“ „Wie teilt AGNES die denn zu?“, frage
ich. Der junge Mann reagiert mit Kopfschütteln. „Keine Ahnung. Das checkt
niemand. Jedes Semester das Gleiche, ey.“
In der Mail der Dozentin steht später, dass wir nicht bleiben können – aber
es gerne noch mal in zwei Wochen versuchen dürfen, vielleicht sind dann
Plätze frei. Wir werden gebeten, solidarisch zu sein. Das Wort hat ein
Geschmäckle. Manch einer wünscht sich ein digitales Semester zurück. Auch
ich werde nostalgisch. Die Raumkapazitäten sind begrenzt, und die Geduld
ist es sowieso.
Während die Erstsemester hyperventilieren, resignieren die Langzeitstudis
vor dem Institutsgebäude mit Kippe statt Kurs. Die Fachschaft für
Sozialwissenschaften verschickt proaktive Rundmails und hängt Zettel zur
Kurswahl-Netiquette aus. Aus denen spricht Hilflosigkeit und Wut. Die
Unileitung bleibt stumm. Es dominiert eine lässige Contenance, hinter der
es brodelt. AGNES wütet, indem sie würfelt. Ich atme tief ein und aus. Und
jage weiter.
Frederike Grund
23 May 2022
## AUTOREN
Frederike Grund
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