# taz.de -- Tenniskarriere mit Alsterblick | |
> You‘ll never walk alone (5): Viele Sportler*innen im Norden zeigen | |
> angesichts des Ukraine-Kriegs Solidarität. Anastasya und Anna Vashchenko | |
> sind aus Kyiv geflohen. Ihre Tenniskarriere können die beiden jetzt in | |
> Hamburg fortsetzen | |
Von Leopold Pelizaeus | |
Dass Anastasya Vashchenko ein blaues Trikot trägt und ihre jüngere | |
Schwester Anna ein gelbes, sei Zufall, sagt Anastasya. Trotzdem: „Das ist | |
doch symbolisch, oder?“ | |
Die beiden Ukrainerinnen sind vor rund einem Monat aus Kyiv nach Hamburg | |
geflohen, die Eltern kamen zwei Wochen später nach. Beim [1][Hamburger | |
Tennis Club an der Alster] (DCADA) trainieren die Schwestern jetzt fünfmal | |
die Woche – denn sie wollen Tennis-Profis werden. Eine längere | |
Trainingspause darf es da nicht geben, auch nicht wegen eines Krieges. | |
Die 17- und 16-jährigen Schwestern spielen seit sechs Jahren Tennis, vorher | |
haben sie geturnt. „Aber das ist irgendwann langweilig geworden“, sagt | |
Anna. Also hätten die Eltern Tennis vorgeschlagen und dabei sind sie | |
seither geblieben. Ob die Eltern selbst Tennis spielen? „Die machen gar | |
keinen Sport, haben sie noch nie“, stellt Anna trocken fest. | |
Die Schwestern sitzen auf der Terrasse des Vereinshauses des Clubs an der | |
Alster. Weil sie direkt vom Training kommen, haben die beiden noch | |
Sportklamotten an. Der Gesellschaft am Nachbartisch ist anzusehen, dass | |
ihre Polohemden teuer waren. Der Club residiert in Harvestehude. Auf dem | |
Parkplatz stehen SUVs und Limousinen, ein Wagen hat ein | |
Diplomatenkennzeichen. | |
Anastasya und Anna dürfen hier die Plätze und das Fitnessstudio benutzen. | |
Zuhause in Kyiv trainierten sie bei der Profispielerin Natalia Medvedeva, | |
die einst mit ihrem Bruder im Doppel gegen Boris Becker und Anke Huber | |
verlor. | |
Nach vier Jahren wechselten die Schwestern dann die Trainerin. Tennis gilt | |
auch in der Ukraine als prestigeträchtiger Sport, nur wenige schaffen den | |
Sprung in die Oberliga. Doch die Schwestern sind ehrgeizig. Mit Deutschland | |
verband sie vor ihrer Flucht nichts. Im Club an der Alster spielt jedoch | |
auch Tennisprofi Eva Lys, ebenfalls in Kyiv geboren. Sie vermittelte den | |
Kontakt. | |
Lys, zuletzt beim „Porsche Tennis Grand Prix“ in Stuttgart, äußerte sich | |
schon mehrfach öffentlich zum Krieg in der Ukraine und verlangte auch von | |
russischen Spielerinnen, sich zu positionieren. Um sich mit ihr | |
auszutauschen, bliebe keine Zeit, sagt Anastasia. Nur einmal haben die drei | |
gemeinsam trainiert. | |
In Hamburg bereiten sich die Schwestern nun auf ihr nächstes Turnier in | |
Offenbach vor. Statt zweimal täglich wie in Kyiv trainieren sie hier nur | |
einmal am Tag. „Hier gibt es mehr Regeln als in der Ukraine“, sagt Anna. | |
Ein Beispiel: „In der Ukraine ist die Schule nicht das Wichtigste im Leben, | |
hier schon.“ | |
Die große Schwester versucht zu glätten: „In der Ukraine kann man online | |
lernen und es reicht, zwei Stunden am Tag in der Schule zu sein.“ In | |
Deutschland wäre es umgekehrt: „Hier kann man zwei Stunden am Tag Tennis | |
spielen, den Rest muss man in der Schule verbringen.“ Bisher haben die | |
beiden allerdings noch keine Schule in Hamburg gefunden. Sie nehmen am | |
Online-Unterricht aus der Ukraine teil. | |
Sportlich sehen die Geschwister keine Zukunft in der Ukraine. Auch wenn die | |
Eltern zurückgehen möchten – die Großeltern sind dort geblieben – Anna u… | |
Anastasya wollen erst einmal hier bleiben und an ihren Profikarrieren | |
arbeiten. Bisher läuft es gut: Gleich beim ersten Turnier gewannen sie im | |
Doppel. | |
25 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.dcada.de/ | |
## AUTOREN | |
Leopold Pelizaeus | |
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