# taz.de -- kritisch gesehen: Eine Welt, die noch still steht | |
An der Spitze Dänemarks, in Skagen, gibt es ein besonderes Licht. Hier, wo | |
die Nord- und die Ostsee sich treffen, wo eine nordische Bilderbuch-Idylle | |
fast zu schön scheint, um wahr zu sein, entdeckten Maler vor etwa 150 | |
Jahren Wasser, Wellen, Sand, Licht und den Alltag der Fischerfamilien – und | |
taten sich zu einer Künstlerkolonie zusammen, um mit der akademischen | |
Kunstauffassung zu brechen. | |
Ihre Vorbilder waren die französischen Realisten und Impressionisten. Sie | |
malten das, was sie sahen. Vor Ort. Heide, Dünen, Strände, das Leben der | |
Fischer und Bauern. Nun begann die Zeit von Künstler:innen wie Michael, | |
Anna Ancher, Karl Madsen oder Peder Severin Krøyer, mit dem die | |
Künstlergruppe international erfolgreich wurde. | |
Das Museum „Kunst der Westküste“ in Alkersum auf Föhr verfügt über eine | |
bedeutende Sammlung der Skagen-Maler:innen. Jetzt ist eine Solo-Schau von | |
Anna Ancher zu sehen. „Anna Ancher: Sonne. Licht. Skagen“ versammelt Bilder | |
einer 1859 geborenen Künstlerin, die in Dänemark sehr populär ist, die man | |
in Deutschland aber noch kaum kennt. | |
Arbeiten wie „Sonnenschein in der blauen Stube“ von 1891 oder „Mondklarer | |
Abend am Leuchtfeuer von Skagen“ von 1904 zeigen eine Künstlerin, die im | |
Stil einer Zeit, die schon fast vorbei ist. Mit dieser bewahrenden Haltung | |
war sie nicht alleine. Auch Max Liebermann blieb seinem impressionistischen | |
Duktus bis in die 1930er treu. Anchers Werk ist stets dem Naturalismus und | |
dem Impressionismus verhaftet. Oftmals sind es Interieurs, die sie malt, | |
zeichnet: Bilder, die bisweilen einen Tick zu gefällig, zu brav wirken: Sie | |
zeigen, sonnendurchflutet, farbintensiv, eine Welt, die noch still steht. | |
Wir sehen Frauen, die still ihrer Hausarbeit nachgehen, Geflügel rupfen | |
oder Schafe scheren: Augenblicke, denen Kritiker:innen eine hohe | |
seelische und ernste Ausdruckskraft zugesprochen haben. | |
Dennoch zeigt ein [1][virtueller Gang] durch die Ausstellung, dass man die | |
immense Bedeutung, die manche nun in der Künstlerin als Pionierin der | |
Moderne sehen, auch ein wenig relativieren kann. Gerade der immer wieder | |
bemühte Vergleich mit Liebermann zeigt den verhalten-konservativen, | |
traditionellen Zug vieler dieser Bilder. Was nicht gegen diese Malerei | |
spricht: nur eine innovative Modernistin ist Anna Ancher eben nicht. | |
Innerhalb der Skagener Gruppe sticht sie dennoch hervor: Denn im Fokus auf | |
den Alltag, gerade den von Frauen, steht sie alleine da. Marc Peschke | |
„Anna Ancher: Sonne. Licht. Skagen“, Museum der Westküste, Alkersum. Bis | |
19. 6. | |
13 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] http://www.mkdw.de/de/mkdw-3d | |
## AUTOREN | |
Marc Peschke | |
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