# taz.de -- berliner szenen: Kein Besuch beim besten Freund | |
Zu Fuß und mit der Bahn, inclusive Schnelltest dauert der Weg zum | |
Pflegeheim, in dem M. untergebracht ist, ungefähr eine Dreiviertelstunde. | |
Ich bin zufrieden, als ich da bin. Der Mann vom Empfang kommt zur Tür. Ich | |
halte ihm meinen Schnelltest hin wie eine goldene Club-Karte. Er fragt nach | |
meinem Namen. Ich sage meinen Namen. Dann sagt er: „Sie dürfen hier nicht | |
rein, weil Sie einen bakteriellen Infekt haben.“ „Wie bitte?! Ich hatte | |
doch gestern meinen Besuch vereinbart.“ Die Stationsschwester hätte das | |
gesagt und „sie muss ja ihre Kranken schützen. Leider ist sie heute nicht | |
da, aber Sie können ja morgen anrufen.“ | |
Ich protestiere noch ein bisschen – wie kommt die Stationsschwester dazu, | |
mir eine bakterielle Infektion zu diagnostizieren? Sie hatte mich vor sechs | |
Tagen kaum gesehen. Der Türhüter kann nur ihre Worte wiederholen und | |
entschuldigt sich ein wenig. Ich bitte ihn, M. von mir zu grüßen. Er sagt | |
es zu. Dann troll ich mich. | |
Zum Glück scheint die Sonne. Vielleicht entsprechen die Symptome, von denen | |
ich beim letzten Besuch erzählt hatte, einer bakteriellen Infektion, die | |
die kundige Krankenschwester schon von weitem erkannt hat. Ich würde | |
einfach zu meinem Hausarzt gehen, der würde mich untersuchen und | |
bescheinigen, dass ich keine bakterielle Infektion habe. Dann könnte ich | |
wieder M. besuchen und wir könnten Schach spielen; ich bin ja sein bester | |
Freund. | |
Bei Netto fragte mich eine spindeldürre Frau, ob ich ihr diesen Kakaodrink, | |
der 2 Euro koste, aus dem Laden mitbringen könnte. Oder ihr 2 Euro | |
schenken. Der Kakaodrink kostete nur 80 Cent. Die nächsten Tage mailten die | |
Freundinnen, auch ihnen sei der Zugang zu M. verwehrt worden. Weil der | |
schon besiegt geglaubte grün phosphorisierende Keim zurückgekommen sei. | |
Detlef Kuhlbrodt | |
24 Mar 2022 | |
## AUTOREN | |
Detlef Kuhlbrodt | |
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