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# taz.de -- Fußball ist Brot und Spiele
> SCHURKEN Wenn Politiker sich profilieren wollen, muss eben auch der Sport
> herhalten. Es funktioniert jedoch nicht bei allen gleich gut. Die
> schlimmsten zehn, vom Duce über Janukowitsch bis Merkel
VON ANDREAS RÜTTENAUER
1. Silvio Berlusconi: Wie viel ihm sein Präsidentenamt beim AC Mailand für
seine Karriere als Politiker gebracht hat, lässt sich schwer messen. Belegt
ist eine Ansprache, die er vor dem Champions-League-Finale 2007 vor der
Mannschaft gehalten hat. „Wir stehen in einem großen Wahlkampf. Es geht
darum, dass eine italienische Mannschaft die Champions League gewinnt. Ein
Sieg könnte viele zur Wahl bewegen.“ Zweimal lief er sich im Amt warm,
bevor er ab Mai 2008 für drei Jahre, sechs Monate und acht Tage
Ministerpräsident wurde. Italienischer Nachkriegsrekord.
2. Wiktor Janukowitsch: Der ukrainische Präsident macht während des
Turniers penetrant Wahlkampf für seine Partei der Regionen. Während
politische Gegner im Gefängnis sitzen, zeigen Wahlspots den Staatschef als
Strahlemann, der das Land aus dem Ruin in eine goldene Zukunft führt. Als
Beleg laufen ständig Bilder vom Bau der EM-Stadien über die Bildschirme.
Für Janukowitsch ist modern, wer ein großes Sportturnier veranstalten kann
– also er selbst. Der Fußball soll das arme Volk satt machen. Er ist Brot
und Spiele in einem.
3. António de Oliveira Salazar: Der portugiesische Diktator wusste ganz
genau, was er an seinem wichtigsten sportlichen Botschafter hatte. Er
erklärte Eusebio, einen der besten Fußballer, den Portugal je
hervorgebracht hat, zum Staatseigentum. Der Mann, der Portugal 1966 zum
dritten Platz bei der WM schoss und Benfica Lissabon zum Sieg im
Europapokal der Landesmeister geführt hat, wäre gern ins Ausland
gewechselt, um ein wenig reich zu werden. Durfte er aber nicht. Der
Diktator brauchte ihn als Maskottchen für seine Herrschaft und versklavte
ihn regelrecht.
4. Ramsan Kadyrow: Der Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien
hätte es so gerne, dass sein vom Krieg gezeichnetes Land als Hort des
Friedens und der Gerechtigkeit gesehen wird.
Und so inszeniert der Mann regelmäßig Benefizspiele. Mit viel Geld hat er
Weltmeister wie Dunga, Bebeto, Romario, Cafu, Maradona und Matthäus nach
Grosny gelockt. Kadyrow ließ es sich dabei nie nehmen, selbst mitzuspielen.
Meistens ließ man ihn sogar ein Tor schießen.
5. Benito Mussolini: Der Duce war kein besonderer Freund des Fußballsports.
Sein Volk jedoch sehr wohl, und so schlug er zu, als die Fifa 1934 einen
Austragungsort für die zweite WM in der Geschichte des Fußballs suchte.
Alles wurde perfekt inszeniert, um die Überlegenheit des italienischen
Volkes zu demonstrieren. Neue Stadien wurden gebaut, Parteimitglieder auf
die Tribünen gesetzt und die Offiziellen mit Geld dazu bewegt, Italien zum
Titel zu pfeifen.
Das war gar nicht so leicht, doch die Schiedsrichter übersahen im Finale
gegen die Tschechoslowakei jedes noch so üble Foul der Italiener und
machten den Triumph für Mussolini perfekt.
6. Wladimir Putin: Der russische Präsident hat die Fußball-WM 2018 zu sich
geholt, indem er versprach, sein Land so offen zu machen, wie es nie war.
Ob es das Versprechen war oder Zahlungen an die Exekutivmitglieder der
Fifa, die für das Votum pro Russland gesorgt haben, wird man wohl nie genau
wissen. Was man weiß, ist, dass Putin den Fußball nutzt, um sein Image
aufzubessern.
Der staatliche Gasproduzent Gazprom gibt als Sponsor Millionen für Schalke
04. Dort ist man darüber so glücklich, dass die mafiösen Praktiken im
internationalen Gasgeschäft, mit denen Gazprom ganze Staaten regelrecht
erpresst, ganz leicht ausgeblendet werden.
7. Željko Ražnatović: Der unter dem Namen Arkan gefürchtete Anführer
serbischer Paramilitärs in den jugoslawischen Bürgerkriegen, der 2000
erschossen wurde und so einem Verfahren wegen Völkermords vor dem
Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien entging,
kaufte sich nach dem Krieg den Belgrader Fußballklub FK Obilic. Er wollte
sein kriminell erworbenes Geld waschen und seinen Ruhm als serbischer
Nationalist öffentlich ausleben. 1998 gewann Obilic die Meisterschaft. Die
erhoffte internationale Anerkennung blieb indes aus. Den Auswärtsspielen im
Europapokal musste Arkan fernbleiben, ein internationaler Haftbefehl war
gegen ihn erlassen worden.
8. Joan Laporta: „Fußball ist Politik.“ Der langjährige Präsident des FC
Barcelona (2003 bis 2010), der für die Entwicklung des Klubs zum
internationalen Vorzeigeprojekt steht, hat nie versucht zu vertuschen, dass
sein eigentliches Steckenpferd die Politik ist. Seine Popularität als
inzwischen ehemaliger Vereinschef konnte der katalanische Separatist indes
nie in politische Erfolge ummünzen. Derzeit hat er für eine Splitterpartei
gerade noch einen Platz im Stadtparlament von Barcelona inne.
9. Jacques Chirac: Der französische Expräsident hatte keine Ahnung vom
Fußball. Als sich im Viertelfinale der WM 1998 nach 120 aufregenden Minuten
gegen Italien Zinedine Zidane den Ball zurechtlegte, um das
Elfmeterschießen zu eröffnen, soll er den neben ihm sitzenden Michel
Platini gefragt haben: „Was machen die jetzt? Wärmen sie sich auf?“ Neun
Tage später empfängt er die französischen Weltmeister, tanzt und singt mit
der Multikultitruppe. Er hatte schnell kapiert, wie wichtig Fußball doch
sein kann, und präsentierte sich als großer Integrationspräsident.
10. Angela Merkel: Die Bundeskanzlerin ist beinahe schon Stammgast in der
Kabine der deutschen Fußballnationalmannschaft. Sie schmückt sich gern mit
ihren Jungs. Während der WM in Südafrika ließ sie Fotos verbreiten, die sie
beim Händedruck mit dem spärlich bekleideten Mesut Özil zeigen. Das fand
sogar der sonst so staatstragende DFB zu viel des Guten. Dennoch ist die
Kanzlerin weiterhin gern gesehen. Vor der EM besuchte sie das Team in
Danzig und wünschte viel Glück. Wem das wohl mehr nützt, ihr oder der
deutschen Auswahl?
20 Jun 2012
## AUTOREN
ANDREAS RÜTTENAUER
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