# taz.de -- kritisch gesehen: Nicht nur für die Reichen | |
Es ist dunkel, bloß Straßenlaternen beleuchten den Platz, auf den die | |
Kamera fokussiert. Blätter liegen auf dem Boden, Weihnachtsbäume stehen | |
ringsum. Eine Gruppe junger Menschen macht Übungen mit Regenschirmen. Es | |
ist ein kostenloser Improclub in Schwerin. Über eines der Mitglieder sagt | |
die Theaterpädagogin: „Er ist eine ziemliche Ausnahme.“ Sie meint Magnus | |
Roheim, der schon seit Schulzeiten dabei ist. Seine Augen funkeln während | |
der Übungen, er geht völlig darin auf. | |
Diese Szene aus der kurzen NDR-Dokumentation „Kultur – nur für Reiche?“ … | |
Lennart Herberhold zeigt die Leidenschaft des Protagonisten Magnus Röheim | |
fürs Theaterspielen. Aber die Doku veranschaulicht auch die Barrieren, die | |
Kinder aus Arbeiterfamilien überwinden müssen, um in die Hochkultur zu | |
gelangen. Herberhold beschränkt sich dabei auf besonders stark | |
subventionierte Bereiche wie die Oper. So wird die Schere zwischen Arm und | |
Reich besonders stark spürbar. | |
Magnus ist mit seiner Mutter und seinem Stiefvater in Schwerin-Krebsförden | |
aufgewachsen, in der am stärksten sozial gespaltenen Stadt Deutschlands. Er | |
ist non-binär und hat ein großes Talent fürs Theater. Leicht war es für ihn | |
jedoch nicht, dort Fuß zu fassen. Die Kamera begleitet Magnus durch seinen | |
Alltag. Er studiert jetzt Theaterpädagogik in Hildesheim. Vorher hat er | |
noch eine Erzieherausbildung abgeschlossen – zur Absicherung. | |
Sonja Anders, ebenfalls aus einer Arbeiterfamilie, hat es geschafft. Sie | |
ist Intendantin des Schauspiel Hannover. Auch ihr Weg dorthin war ein | |
jahrelanger Kampf, sagt sie. Es gibt nicht viele Menschen in ihrer | |
Position, die nicht aus der Mittelschicht kommen. | |
Nur ein Drittel der Deutschen nutzt vom Staat subventionierte Museen, | |
Theater und Konzerthäuser. Sonja Anders will das ändern, etwa durch | |
kostenlose Tickets für Kinder aus ärmeren Familien. Auch Magnus kennt | |
dieses Problem. Er erzählt, dass er für ein Stück, in dem er Statist war, | |
seine Mutter eingeladen hat: „Sie hatte so viele Sorgen. Was ziehe ich da | |
an? Ich traue mich nicht alleine! Da sind so viele Menschen, die denken, | |
ich bin der letzte Bauer.“ | |
Am Ende gibt es ein klares Statement: Hochkultur braucht mehr Menschen wie | |
Magnus Rodheim und Sonja Anders, um Barrieren für Menschen aus ärmeren | |
Familien abzubauen. Kultur ist nicht nur etwas für Reiche: Sie ist die | |
Gesamtheit der kulturellen Leistungen einer Gemeinschaft. Einer | |
Gemeinschaft, der wir alle angehören. Loma Aktan | |
„Kultur – nur für Reiche?“ ist heute im NDR Kulturjournal um 22.45 Uhr im | |
NDR und bereits in der Mediathek zu sehen | |
17 Jan 2022 | |
## AUTOREN | |
Loma Aktan | |
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