# taz.de -- Martin Unfried testet Autotester: Deutscher Motorjournalismus 2021 | |
> Unser E-Auto-Tester Martin Unfried hat diesmal statt Autos andere | |
> Autojournalisten unter die Lupe genommen. | |
Bild: »Selbst auf der Autobahn kommt der Toyota Highlander mit weniger als zeh… | |
Von [1][Martin Unfried] | |
Statt eines Autos testen wir diesmal den Autojournalismus in Deutschland. | |
»Selbst auf der Autobahn mit Geschwindigkeiten jenseits der 160 km/h kommt | |
der Toyota Highlander mit weniger als zehn Litern aus«, lobt in der FAZ | |
Redakteur Lukas Weber. Auf der Nachrichtenseite des Spiegel hat der | |
Autotester Jürgen Pander das neue T-Roc Cabrio von Volkswagen getestet und | |
verkündet, das Fahrzeuge lasse sich mit einem Verbrauch von 6,4 Litern | |
Benzin auf 100 km bewegen. Das sei recht ordentlich. Autobild hat drei | |
Diesel-Kombi getestet und hebt insbesondere den Mercedes C 300 und dessen | |
Umwelteigenschaften mit »beeindruckenden 5,3 Litern« Verbrauch hervor. Im | |
ADAC-Verbrauchstest schneidet der Renault Arkana mit durchschnittlich 6,9 | |
Litern auf 100 Kilometer ab, was als zu hoch bezeichnet wird. Insgesamt | |
aber sammelt der Arkana im »Ecotest« trotzdem vier Sterne sowie das | |
Prädikat »empfehlenswert«. Und in der Süddeutschen Zeitung schreibt Felix | |
Reek, beim Hyundai Santa Fe helfe der Mild-Hybrid beim Spritsparen: Sieben | |
Liter Benzin im Test sei zwar kein Bestwert, aber in Ordnung. | |
In Ordnung? Wie diese Zitate aus dem Jahre 2021 zeigen, ist der Zustand des | |
deutschen Motorjournalismus alles andere als in Ordnung. | |
In keinem der für diesen Artikel recherchierten Autotests stand, dass ein | |
getesteter Wagen mit Blick auf die Linderung der Klimakrise in keinem Fall | |
empfehlenswert sei. In keinem Artikel stand: Der Verbrauch des Autos an | |
fossilen Treibstoffen sei eine klimapolitische Unverschämtheit. In keinem | |
Artikel wurde erwähnt, dass diese Fahrzeuge das Ziel der (alten) | |
Bundesregierung massiv gefährden, die Emissionen im Verkehr von 150 | |
Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2020 auf 85 Millionen im Jahr 2030 zu senken. | |
## Eine journalistische Blase, in der die Erkenntnisse der | |
Klimawissenschaft noch nicht angekommen sind | |
Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht hier nicht um putzige | |
Sportwagen, die für Liebhaber und Humoristen wie Ulf Poschardt zur | |
emotionalen Kulturgeschichte gehören. Es geht um die Bewertung von | |
Alltagsautos, wie es in Deutschland 50 Millionen gibt. Anscheinend leben | |
viele Auto-Tester (ja, männlich) immer noch in einer journalistischen | |
Blase, in der die Erkenntnisse der Klimawissenschaft nicht wirklich | |
angekommen sind. | |
Bis heute gibt es selbst in den als Qualitätszeitungen bezeichneten Medien | |
keine zeitgemäßen Bewertungskriterien. | |
Kann man im Jahr 2021 überhaupt aus Klimaschutzgründen noch zum Kauf eines | |
neuen Verbrenners raten, der vielleicht 15 Jahre auf der Straße sein wird? | |
Birgt ein Verbrenner mit 7 Litern Verbrauch nicht neben dem ökologischen | |
auch ein zu großes finanzielles Risiko, da fossiler Sprit teurer werden | |
wird und der Wiederverkaufswert dramatisch sinkt? | |
Das interessiert im Motorjournalismus offenbar niemand. | |
## Emotionale Vorbehalte und Ahnungslosigkeit bei E-Mobilität | |
Die Ignoranz hat Tradition. Als Ende des Jahrtausends VW mit einem | |
Drei-Liter-Auto kam, wurde dieses von der Motorpresse als »rollende | |
Verzichtserklärung« diffamiert. Der Trend zu schweren SUV wurde dagegen | |
durchgewinkt. Ebenso wenig hat die Motorpresse gestört, dass die Konzerne | |
jahrelange Kunden und Gesetzgeber durch geschönte Verbrauchswerte | |
täuschten. Noch hat sie den Dieselskandal ins Rollen gebracht oder die | |
Nicht-Einhaltung von Grenzwerten in den Innenstädten skandalisiert. | |
Und heute? Ja, es werden auch Elektroautos getestet. Lange Jahre erschienen | |
vor allem Artikel, warum Elektroautos gar nicht gehen. Das Problem waren | |
nicht nur die emotionalen Vorbehalte gegen Elektrifizierung und Tesla. | |
Sondern Ahnungslosigkeit und fehlendes Hintergrundwissen. Weder hat man die | |
fallenden Batteriepreise, die Rolle der Digitalisierung und letztlich den | |
Durchmarsch des Elektroautos vorhergesehen noch die grundlegenden Probleme | |
des Verbrenners in den Zeiten des Klimaschutzes. Und bis vor Kurzem hielt | |
sich in vielen Redaktionen noch die Mär von der Technikneutralität, als ob | |
Wasserstoff oder der Verbrenner mit E-Fuel in der Realität noch Optionen | |
seien. Erst als VW komplett auf batterie-elektrisch umschwenkte, fiel in | |
manchen Redaktionen der Groschen. Allerdings spielt die Energie- und | |
Materialeffizienz weiterhin nicht die zentrale Rolle, weshalb auch | |
übermotorisierte Elektroautos im alten SUV-Design nicht infrage gestellt | |
werden. | |
Wie steht es bei den neuen Modellen um die Reichweite bei verschiedenen | |
Temperaturen und Geschwindigkeiten? Wie entwickelt sich die Temperatur im | |
Akku? Wie sieht die Ladekurve über den gesamten Ladevorgang aus? Wie steht | |
es um Ladeverluste? Was sind überhaupt akzeptable Verbrauchswerte beim | |
Elektroauto oder eine akzeptable Akku-Größe? Die Antworten auf diese Fragen | |
der Zeit geben in Deutschland YouTuber wie Stefan Moeller von Nextmove oder | |
Andreas Hähnel. Eine Tageszeitung oder Autozeitschrift braucht man dafür | |
nicht zu kaufen. Denn da steht das nicht drin. | |
4 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Martin Unfried | |
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