# taz.de -- „Mein Vater hat die Spiele immer erst in der Familie getestet“ | |
> Klaus Teuber ist der Erfinder von „Die Siedler von Catan“, und auch sein | |
> Sohn Benjamin ist Spieleautor. Ein Gespräch mit Vater und Sohn über Glück | |
> und Strategie, Belohnung und Bestrafung und den Geist, der in der | |
> Spielschachtel wohnt | |
Interview Daniel Böldt | |
taz am wochenende: Klaus Teuber, Sie haben mit „CATAN“ (ehemals „Die | |
Siedler von Catan“) eines der weltweit erfolgreichsten Brettspiele der Welt | |
erfunden. Benjamin Teuber, Sie haben die Entwicklung des Spiels als Kind | |
gewissermaßen live begleitet und sind heute selbst Spieleautor. Was macht | |
aus Ihrer Sicht ein gutes Gesellschaftsspiel aus? | |
Klaus Teuber: Für mich ist das Erlebnis sehr wichtig. Wenn man die | |
Spielschachtel aufmacht, muss da ein Geist drin wohnen, der die Köpfe bannt | |
und einen ins Spiel hineinzieht. Wenn das geschieht, wenn ein Spiel | |
fasziniert, dann ist ein Spiel gut. Mit welchen Mitteln das gelingt, ist | |
erst mal zweitrangig. | |
Benjamin Teuber: Für mich ist ein Spiel dann gut, wenn man sich nicht | |
ablenken lässt. Einer der wichtigsten Indikatoren in der Entwicklung eines | |
neuen Spiels für uns ist, ob die Leute irgendwann ihr Handy rausholen. Dann | |
weiß man: Das fesselt noch nicht so ganz. Wichtig ist für mich auch ein | |
richtiges Maß zwischen Glück und Strategie. Das hat den schönen | |
Nebeneffekt, dass der Gewinner sich auf sein Können und der Verlierer auf | |
sein Pech berufen kann. Ansonsten sind Spiele aber natürlich wie so vieles | |
vor allem Geschmackssache. | |
Klaus Teuber, Sie sprachen gerade vom Geist eines Spiels. Wie wichtig ist | |
die Ästhetik, die äußere Gestaltung eines Spiels? | |
Klaus Teuber: Die spielt natürlich eine große Rolle. Man muss sich gerade | |
bei thematischen Spielen in eine Rolle hineinversetzen können und das ist | |
einfacher, wenn die Atmosphäre des Spiels einen dabei unterstützt. Das ist | |
so ähnlich wie beim Essen. Das kann noch so gut sein, von einem dreckigen | |
Teller wollen Sie es trotzdem nicht essen. Nur wenn das Spiel an sich | |
nichts taugt, nützt auch die beste Illustration oder Grafik nichts. | |
Wie wird man überhaupt zum Spieleentwickler? Das ist jetzt nicht der | |
klassische Ausbildungsberuf. | |
Klaus Teuber:Nein, das kann man auch nicht planen. Man wächst dort quasi | |
hinein. Was man auf jeden Fall braucht, ist Leidenschaft und Liebe für | |
Spiele. Bei mir war das Entwickeln von Spielen anfangs vor allem ein | |
Ausgleich, eine Zuflucht. Ich bin gelernter Zahntechniker und habe in den | |
80er Jahren das Labor meines Vaters übernommen. Eine sehr stressige Zeit, | |
durch die Gesundheitsreformen hatten wir immer weniger Aufträge und mussten | |
Mitarbeiter entlassen. Über einen Fantasy-Roman bin ich dann irgendwann auf | |
die Idee für mein erstes Spiel gekommen. Ich wollte diese Welt, die mich so | |
fasziniert hat, spielerisch erlebbar machen. So entstand mein erstes Spiel: | |
„Barbarossa, die Rätselmeister“. | |
Benjamin Teuber:Bei mir ist es wohl etwas näher dran an einer Art | |
„Ausbildung“, auch wenn das viel mit meiner Kindheit zu tun hat. Ich habe | |
schon früher mein Taschengeld aufgebessert, indem ich | |
Spielfiguren-Prototypen für meinen Vater gebastelt habe. Mitgespielt habe | |
ich selbstverständlich auch viel. Da bekommt man implizit bereits eine | |
Menge davon mit, wie ein Spiel entsteht. Später habe ich Psychologie und | |
Management studiert, gar nicht unbedingt mit dem Ziel, später als | |
Spieleautor zu arbeiten. Aber als mein Vater sich mit seiner Catan GmbH | |
selbstständig gemacht hat, war für mich schnell klar, dass ich mich damit | |
sehr gut identifizieren kann. | |
Klaus Teuber:Ich bekomme immer wieder Briefe von Menschen, die mir | |
schreiben, sie wollen auch so erfolgreich sein und mit Spielen Geld | |
verdienen. Aber das ist einfach nicht der richtige Weg. Man muss das erst | |
mal wollen, egal ob es später Geld abwirft oder nicht. Und dann muss man | |
Glück haben. Leben kann man vom Spieleentwickeln nur im Ausnahmefall, aber | |
die Wahrscheinlichkeit steigt, je mehr Leidenschaft dabei ist. | |
Wie kann man sich das praktisch vorstellen? Wie entwickeln Sie ein neues | |
Spiel? | |
Klaus Teuber: Am Anfang steht immer eine Idee, eine Welt, die man | |
darstellen will. Die Inspiration dafür kommt bei mir meistens durch das | |
Lesen. Wenn Benjamin und ich zusammen ein Spiel entwickeln, dann schreibt | |
einer das Konzept, in dem ein möglicher Spielablauf skizziert wird. Da geht | |
man dann nicht technisch vor, sondern rein intuitiv. Oft ergeben sich | |
gewisse Abläufe einfach schon aus der Welt, die man darstellen will. Der | |
andere schaut sich das Konzept dann an, guckt nach Widersprüchen oder nach | |
Stellen, an denen es vielleicht zu lange dauert. Das geht dann meist ein | |
paarmal hin und her. Wenn wir glauben, das Konzept ist gut, dann basteln | |
wir einen Prototyp und dann wird gespielt. | |
Benjamin Teuber: Ein paar allgemeine Dinge kann man schon benennen. Wir | |
wissen zum Beispiel, dass die Leute lieber eine Belohnung als eine | |
Bestrafung wollen. Meistens ist das ja nur ein Verrücken der Skala. Ich | |
kann entweder allen außer einem etwas wegnehmen oder ich gebe einem ganz | |
viel und den anderen entsprechend weniger. Das ist für das Spiel fast das | |
Gleiche, macht aber für die Spieler einen Unterschied. | |
Klaus Teuber: Die Lebenserfahrung spielt auch eine wichtige Rolle. Es ist | |
kein Zufall, dass es meistens mehr ältere, erfolgreiche Spieleautoren gibt | |
als jüngere. Als ich „Die Siedler von Catan“ entwickelt habe, war ich schon | |
über 40, ich glaube, vorher hätte ich das auch nicht gekonnt. | |
„Die Siedler von Catan“ kam 1995 heraus und hat sich bisher über 35 | |
Millionen Mal verkauft. Wie kamen Sie auf diese Idee? | |
Klaus Teuber:Die Inspiration kam auch wieder durch Bücher. Ich hatte sehr | |
viel über die Wikinger und deren Entdeckungsreisen gelesen. So kam ich eben | |
auf den ersten Ansatz eines Entdeckungs- und Besiedelungsspiels. Das war am | |
Anfang ein riesiges Konzept mit viel zu vielen Regeln. Ich habe das auch | |
nie gespielt, weil ich wusste, dass man das keinem zumuten kann. Dann habe | |
ich das Konzept auf zwei Spiele aufgeteilt. Das eine wurde dann zu | |
„Entdecker“ und das andere zu „CATAN“. Manchmal habe ich das Gefühl, d… | |
Spiel ist ein bisschen vom Himmel gefallen. Ich musste an dem ersten | |
Prototyp nicht mehr viel ändern. | |
Wie war das bei Ihnen, Benjamin Teuber? Können Sie sich noch an die | |
Anfänge erinnern? | |
Benjamin Teuber: Ja, das ist eines der Spiele, an deren Entwicklung ich | |
mich noch recht gut erinnern kann. Mein Vater hat die Spiele ja immer erst | |
in der Familie getestet. Ich war damals neun Jahre alt und fand die | |
Ressourcen des Prototyps so schön gemalt, dass ich die lieber gesammelt | |
habe, obwohl man sie ja ausgeben sollte. Aber ich habe mich dann langsam | |
rangetastet und hatte auch bald viel Spaß daran. | |
Haben Sie mit dem Erfolg gerechnet? | |
Klaus Teuber: Nicht in der Größenordnung. Das Spiel wurde zum Spiel des | |
Jahres gewählt, dann wusste man immerhin, dass es sich im ersten Jahr sehr | |
gut verkaufen wird. Danach geht es dann aber meist beständig runter. Bei | |
„CATAN“ trat genau das Gegenteil ein, die Zahlen stiegen von Jahr zu Jahr. | |
Das war auch für mich eine ganz neue Erfahrung. Erst da wurde mir dann | |
bewusst, dass es offensichtlich ein besonderes Spiel ist. | |
Stimmt es eigentlich, dass das Spiel zuvor zwei Verlage abgelehnt haben? | |
Klaus Teuber: Ja, ich hatte das damals während der Spielemesse zwei großen | |
Spielverlagen angeboten, die aber gesagt haben, das Spiel wäre zu | |
langweilig und man könne es schlecht in einer Fernsehwerbung inszenieren. | |
Das war damals sehr wichtig für die Vermarktung. Schließlich habe ich mich | |
mit Kosmos geeinigt, die die Spielsparte damals eigentlich schließen | |
wollten. Heute sind sie einer der führenden Verlage in der Branche. | |
31 Dec 2021 | |
## AUTOREN | |
Daniel Böldt | |
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