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„Warmer Otto kaltgestel lt“, | |
taz vom 12. 11. 2021 | |
## Bitte offenhalten | |
Manchmal empfindet man es als alter Knacker als eine Zumutung, immer noch | |
nicht gestorben zu sein. So erging es mir beim Lesen eures betrüblichen | |
Artikels: [1][„Warmer Otto kaltgestellt“]. Denn ich habe als junger Pfarrer | |
Ende 1982 nach lauten Notrufen der Nichtsesshaftenhilfe Levetzowstraße den | |
Gemeindekirchenrat der Heilandsgemeinde 1983 für die spontane Einrichtung | |
einer Wärmestube gewonnen und dann aufgebaut. Es war abenteuerlich: In | |
der Ottostraße schräg gegenüber von unserem Gemeindehaus stand noch eines | |
der letzten Trümmerhäuser im Bezirk. Das Erdgeschoss und die erste Etage | |
waren intakt geblieben. Der inzwischen sagenhafte Immobilienspekulant | |
Franke wollte das Gebäude abreißen, aber dank seiner „einmaligen“ Güte | |
konnte ich ihn überreden, dass wir in den unten leerstehenden Ladenräumen | |
des ehemaligen „Sargmagazins“ einen gemeindlichen Treffpunkt für die Monate | |
bis zum Abriss einrichten durften. Fast wäre die Initiative noch am | |
Eröffnungstag gescheitert, denn der Schornsteinfeger durfte die Räume erst | |
freigeben, nachdem der Kaminabzug bis rauf in den vierten Trümmerstock auf | |
Dichtigkeit überprüft war, nur war er nicht über den ersten Stock | |
hinausgelangt, denn der weitere Aufstieg war verbarrikadiert. Aber eine | |
Wärmestube ohne Ofen, das ging gar nicht. Da erschien unser Küster Jürgen | |
H. mit Axt und Säge und „haute“ den Zugang frei, so dass der | |
Schornsteinfeger seine Kontrollpflicht erfüllte. Diese Erzählung erklärt, | |
wie der Warme Otto zu seinem Namen gekommen ist: Sein Ursprung liegt in | |
einem aufgegebenen Kartoffelladen in der Ottostraße. | |
Das Besondere dieser Geschichte: Der Warme Otto ist die allererste | |
Wärmestube für Obdachlose, die nach 1933 in Berlin eingerichtet wurde. Von | |
Anfang an hatte sie regen Zulauf und das Entsetzen war groß, als wir im | |
Juni 83 schon wieder schließen mussten. Es gelang mir nach zäher Suche in | |
den folgenden Monaten einen neuen Laden in der Waldstraße aufzutreiben. So | |
eröffneten wir im November 83 den ersten professionellen | |
Wärmestubenbetrieb, vom Senat mit einer Sozialarbeiterstelle gefördert … | |
Anfang der Neunziger zogen wir wieder um in einen noch geräumigeren Laden | |
in der Bugenhagenstraße. Aber Ende der Neunziger wurde die Finanzlage | |
Berlins und erst recht die der Evangelischen Kirche hoch problematisch. | |
Alle Gemeinden wurden zum radikalen Stellenabbau gezwungen. Daher traten | |
wir in Verhandlungen mit der Stadtmission ein und sie beschloss bald die | |
Übernahme der Einrichtung. Circa 20 Jahre betreibt sie nun die Wärmestube, | |
die in den von der Lage her noch geeigneteren Beusselkiez umzog und | |
ununterbrochen hoch frequentiert ist. Mir ist unverständlich, wie eine | |
soziale Großorganisation wie die Berliner Stadtmission es nicht schaffen | |
kann, diese in Moabit älteste und notwendigste Einrichtung der | |
Obdachlosenhilfe offen zu halten. Ich appelliere an die Berliner | |
Stadtmission, dass sie sich besinnt und wenigstens für den kommenden Winter | |
eine Übergangslösung für die Offenhaltung des Warmen Ottos in Moabit | |
erfindet und managt. | |
Michael Rannenberg (Pfarrer im Ruhestand) | |
18 Nov 2021 | |
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