# taz.de -- Für Deutschland verhandeln lahme Enten | |
> Angela Merkel kann in Glasgow keine Zusagen für die neue Regierung | |
> machen. Aber das Vakuum in Berlin stört nicht. Denn entscheidend ist die | |
> Strategie der EU | |
Von Bernhard Pötter und Ulrich Schulte | |
Deutschland beherbergte die Klimakonferenz 2017, damals fand sie in Bonn | |
statt. Angela Merkels Auftritt auf der COP23 enttäuschte die Delegierten. | |
Die Kanzlerin hatte zwar freundliche Worte und dringende Appelle im Gepäck. | |
Aber sie lieferte keine Zusicherung, wann Deutschland aus der Kohle | |
aussteigen würde. | |
Ein Grund für Merkels Vagheit war, dass es damals kurz nach der | |
Bundestagswahl noch keine Regierung gab. Die Gespräche für die Bildung | |
einer Jamaikakoalition mit Grünen und FDP hatten zwar begonnen, aber nichts | |
war entschieden. Die Kohlekommission der letzten Großen Koalition unter | |
Merkel nahm erst im Juni 2018 ihre Arbeit auf und legte im Januar 2019 | |
ihren Bericht vor. Deutschland war bei der COP23 in diesem Punkt schlicht | |
nicht beschlussfähig. | |
So ähnlich ist die Lage auch bei der Klimakonferenz in Glasgow, die am | |
Sonntag startet. Wieder hat Deutschland gerade erst gewählt, wieder wird | |
über die neue Regierung noch verhandelt. Merkel wird laut Programm am | |
Montag auf dem Gipfel sprechen. Aber die Kanzlerin tut das nur noch | |
„geschäftsführend“ und wird keine Entscheidungen ankündigen, die eine | |
nächste Regierung binden könnten. Das Gleiche gilt für SPD-Umweltministerin | |
Svenja Schulze und CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller: Sie sind Minister | |
auf Abruf. | |
Aber dass eine der stärksten Volkswirtschaften der Welt, die durch | |
Diplomatie, Technologie und viel Geld ein wichtiger Akteur der | |
Klimaverhandlungen ist, in Glasgow nur eingeschränkt handlungsfähig ist, | |
stört nicht weiter. Deutschland verhandelt nicht offiziell in eigenem | |
Namen, sondern reiht sich in die EU-Delegation ein. Für Europa sprechen der | |
zuständige EU-Kommissar Frans Timmermans und das Land, das die | |
EU-Präsidentschaft innehat, derzeit Slowenien. Informelle Gespräche, | |
Abstimmungen mit den EU-Partnern, Geldzusagen, eigene Initiativen und | |
Partnerschaften kann die deutsche Delegation weiterhin vorantreiben. Und | |
weil auch am Schluss der Konferenz kaum ein weitreichendes Dokument stehen | |
wird, ändert das politische Vakuum in Berlin kaum etwas an der Lage in | |
Glasgow. | |
In Berlin tagt nun die Arbeitsgruppe „Klima, Energie, Transformation“, die | |
die Klimaschutzpolitik des neuen Ampelbündnisses aus SPD, Grünen und FDP | |
entwerfen muss. Das Sondierungspapier bekennt sich zu der zentralen | |
Aufgabe, dass Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad gebracht werden müsse. Aber | |
es lässt große Lücken: Von einem schnelleren Anstieg des CO2-Preises ist | |
ebenso wenig die Rede wie von einem sozialen Ausgleich. Auch der Ausbau der | |
Deutschen Bahn und des ÖPNV kommt entweder gar nicht oder nur sehr kurz | |
vor. | |
Die Besetzung ist ebenfalls interessant. Jede Partei entsendet sechs Leute | |
in die Arbeitsgruppe. Für die SPD ist Umweltministerin Schulze dabei, aber | |
auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Brandenburgs | |
Regierungschef Dietmar Woidke. Der eine macht sich gerne für die Interessen | |
der Autoindustrie stark, der andere hatte noch im September vor einem | |
schnelleren Kohleausstieg gewarnt – der nun aber geplant ist. Die | |
Verhandlungen dürften deshalb nicht einfach werden. | |
Die Klimakonferenz wird den Diskurs in der AG allerdings beeinflussen – | |
durch Aufmerksamkeit der Medien und durch Beschlüsse. Lisa Badum, die | |
klimapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, hofft auf starke | |
Signale der Weltgemeinschaft: „Ein Beschluss etwa zum Ende des | |
Verbrennungsmotors oder zum globalen Kohleausstieg könnte einem engagierten | |
Klimaschutz in den Verhandlungen schon Rückenwind geben“, sagte Badum der | |
taz. Wenn klar würde, „Deutschland ist nicht mehr Vorreiter und die anderen | |
bewegen sich, sodass wir dabei sein müssen“, könne das durchaus hilfreich | |
für engagierte Ziele in den Verhandlungen sein. | |
30 Oct 2021 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
Ulrich Schulte | |
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