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# taz.de -- Abgang mit Wirkung
> Überraschend hat der Trainer von Holstein Kiels Männerfußballteam
> hingeschmissen. Bei der Suche nach einem neuen Coach steht der Verein vor
> einer Richtungsentscheidung
Bild: Ließ sich wohl nicht überreden zu bleiben: Holstein Kiels Ex-Coach Ole …
Von Andreas Geidel
Der Profifußball ist ein extrem schnelllebiges Geschäft. Nur eine Phrase?
Mitnichten, wie das Beispiel des Zweitligisten Holstein Kiel eindrucksvoll
belegt.
Am Montag der vergangenen Woche noch schien die Kraft der Störche
grundlegend gebrochen. Als ausgerechnet der in der Vorsaison gefeierte
Erfolgstrainer Ole Werner – für die Öffentlichkeit völlig unerwartet – a…
freien Stücken nach nur fünf Punkten aus den ersten sieben Spielen seinen
Rücktritt erklärt hatte. Und nur fünf Tage nach diesem Beben bejubelte die
KSV Holstein am Samstag einen ebenso verdienten wie überraschenden
2:1-Auswärtssieg beim Top-Team SC Paderborn.
Unter Leitung des in über 700 Profi-Einsätzen als Spieler und Trainer
gestählten Interimscoaches Dirk Bremser bewies das Team in Ostwestfalen
Mut, Leidenschaft und im Kollektiv die Qualität, auch situative Rückschläge
wegzustecken. Und plötzlich feierte auch das zuletzt so arg vermisste
Spielglück ein Comeback in Kieler Reihen.
„Megastolz“ war Bremser nach dem Abpfiff auf die Reaktion der Mannschaft
nach einer außergewöhnlich turbulenten Woche. Der zweite Sieg dieses
Spieljahres ist nicht nur ein Befreiungsschlag aus dem Tabellenkeller, er
verschafft Sportchef Uwe Stöver zugleich Luft, um das Vakuum auf der
Trainerbank ohne druckbedingte Hektik lösen zu können. Denn Bremser darf
mangels Fußballlehrer-Lizenz nur noch bis zum Heimspiel gegen Rostock am
kommenden Sonnabend als Übergangs-Chef fungieren. Danach ruht der
Liga-Betrieb wegen der Länderspielpause.
Auch der 33-jährige Werner dürfte ob der in Paderborn siegbringenden
Treffer von Finn Porath (51. Minute) und Edel-Joker Joshua Mees (78.
Minute) kräftig durchgeatmet haben.
Als einen Schritt, der ihm nach über 15 Jahren im Klub sehr schwer
gefallen, der aber für den Verein richtig und notwendig sei, hatte er die
folgenschwere Entscheidung, seinen bis zum 30. Juni 2022 datierten Vertrag
vorzeitig aufzulösen, beschrieben. „Die nach der turbulenten und
anspruchsvollen letzten Saison vereinbarten neuen Reize haben leider bis
zum heutigen Tag nicht den erhofften nachhaltigen Effekt gehabt.“ Mit
diesen Sätzen ließ sich Werner in einer Mitteilung des Vereins zitieren.
War für ihn die Transferpolitik des Kaderplaners Stöver im Jahr eins nach
dem Verlust wichtiger Spieler nicht gut genug, um für seine Arbeit
ausreichende Perspektiven zu erkennen? Gab es gar atmosphärische Störungen
zwischen Werner und dem Geschäftsführer Sport? Derartige Verdachtsmomente
bestätigten sich bislang nicht. Vielmehr versicherte Stöver glaubhaft,
seine Präsidiumsmitglieder und er hätten Werner zwei Tage lang versucht
umzustimmen. Ohne Erfolg.
Der 20. September mutiert nunmehr in den Geschichtsbüchern der KSV Holstein
zum Werner-Tag. 2019 hatte er an diesem Datum seine Ära als sportlich
Verantwortlicher der Zweitliga-Mannschaft mit einer 1:2-Heimspielniederlage
gegen Hannover 96 begonnen.Es folgten der tabellarische Aufschwung der
Störche, die Ausbildung zum Fußballlehrer parallel zum Berufsalltag, der
Tod seines Vaters, der Beginn der Pandemie mit all ihren Konsequenzen, der
Höhenflug bis ins Halbfinale des DFB-Pokals mit einem Jahrhundert-Triumph
gegen den FC Bayern in Runde zwei und der erst auf der Zielgerade geplatzte
Traum vom Erstliga-Aufstieg.
Am 20. September 2021 beendete Werner das Kapitel Holstein Kiel. Aus freien
Stücken. Zwei Tage nach einer 0:3-Heimpackung. Gegen wen? „Natürlich“ geg…
Hannover 96. „Selbst für ein Märchen liest sich diese Story zu kitschig“,
kommentierte der kicker diese fast surrealen Fakten treffend.
Die mentale Überbelastung durch die Strapazen der vergangenen zwei Jahre
dürften Werner schlussendlich bewogen haben, auszusteigen. Er wird jetzt
Kraft tanken, um sich neuen Aufgaben stellen zu können. An seiner
fachlichen Kompetenz bestehen keine Zweifel. Ebenso wenig wie an seiner
Integrität nach einem charakterlich bemerkenswerten Abgang – der
freiwillige Gehaltsverzicht inklusive.
Und die Werner-losen Störche? Die stehen bei ihrer Trainersuche vor einer
Richtungsentscheidung: Soll es ein erprobter Mann wie beispielsweise Daniel
Thioune (zuletzt HSV) sein? Oder wird der Kurs der jüngeren Vergangenheit
mit erfolgshungrigen, aber noch nicht im Rampenlicht stehenden Coaches
beibehalten?
27 Sep 2021
## AUTOREN
Andreas Geidel
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