# taz.de -- So viel Kritik muss sein: Pia Tönnissen über den Audiowalk „Sha… | |
Bild: Pappsarg für die Werft | |
Wasserrauschen und Möwengeschrei: Es wirkt fast schon meditativ, was aus | |
den Kopfhörern ertönt. Der Audiowalk „Shaking Hands With Ghosts“ eröffnet | |
die letzte Interimsspielzeit der Schwankhalle in der künstlerischen | |
Verantwortung von Dramaturg Florian Ackermann. Und die Inszenierung hat | |
viele Besucher*innen nach Gröpelingen gelockt – auf das Gelände, wo | |
heute die Waterfront zum Konsum lädt. Und wo einst die AG Weser sich | |
erstreckte. Die spurlos verschwunden ist, ruiniert und abgetragen: Dieser | |
Geschichte, ihrem unsichtbaren Fortleben übers Sterben der Werft hinaus, | |
hat Regisseurin und Autorin Karin Bretschneider sich mit ihrem Audiowalk | |
zugewandt. | |
Der soll die Geschichte der lange Zeit größten Werft Europas nicht einfach | |
erzählen, sondern gewissermaßen zum Leben erwecken. Metall scheppert, vor | |
dem inneren Auge läuft das letzte Schiff vom Stapel, die Weser riecht auch | |
heute noch brackig dort. „Kannst du den Herzschlag der AG Weser spüren?“, | |
fragt Bretschneider über Kopfhörer. | |
Das Publikum wird von ihr gelenkt und so zum Mitspieler: Es begibt sich in | |
die Fußstapfen der wütenden und enttäuschten Arbeiter*innen, die nach | |
langem, aber vergeblichem Kampf Ende 1983 die Werft symbolisch zu Grabe | |
trugen. Eine Replik des Pappsargs mit der Aufschrift „Use Akschen“ – also | |
„Unsere Aktie“, so der plattdeutsche Kosename der AG Weser – steht am | |
historischen Platz. Die Walk-Teilnehmer*innen legen die vorher an sie | |
verteilten Blumen darauf ab. „Da liefen mir die Tränen über die Backen“, | |
spricht nun die raue Stimme eines Zeitzeugen aus den Kopfhörern. | |
Diese Momente des authentischen Zeugnisses hat Bretschneider, selbst | |
Werftarbeiter-Kind, für die dramatischen Höhepunkte des Audiowalks | |
reserviert. Es überwiegt hingegen ihre Erzählstimme, gepaart mit Geräuschen | |
und collagierten Gesprächsfetzen. Den Sound hat Ilona Marti designt. So | |
wird eine Zeitreise gestaltet, die mit der Gründung der AG Weser im Jahre | |
1872 beginnt, aber nicht mit der Schließung endet, sondern den Blick auf | |
Gegenwart und Zukunft wendet durch Fragen zum sich wandelnden Verständnis | |
und der Bedeutung von Arbeit: Das geht wirklich jede*n an. | |
Audiowalk „Shaking Hands With Ghosts“: 18. und 19. 9. um 18.30 Uhr sowie | |
21. bis 24. 9. um 18.15 Uhr, AG-Weser-Straße 3, Tickets auf | |
www.schwankhalle.de | |
18 Sep 2021 | |
## AUTOREN | |
Pia Tönnissen | |
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