# taz.de -- Ausgehen und rumstehen von Charlotte Eisenberger: Aktivistentechno … | |
Anders als vermutlich jeder andere junge Mensch in Berlin war ich erst in | |
der vergangenen Woche auf meiner ersten Party. Also, es war nicht die erste | |
Party generell, aber die erste nach einer ziemlich langen Pause. Dass ich | |
nicht die Erste war, die mit anderen Basshungrigen in die Clubs rannte, war | |
auch dem Umstand geschuldet, dass ich gerade erst nach Berlin gezogen bin | |
und, was das Feiern angeht, hinterm Mond lebe. | |
Die Party sollte in der Redaktion stattfinden, in der ich gerade ein | |
Praktikum machte, und zufälligerweise fiel diese Party auf meinen | |
vorletzten Tag. Eigentlich ganz cool, dachte ich. Denn ich hatte in der | |
Redaktion durch Homeoffice und Eigenheiten des Kulturjournalismus noch | |
nicht viele andere kennengelernt. Ich ging mich also voller Vorfreude | |
testen, denn es galt die 2G-Regel plus Test, damit die Masken abgenommen | |
werden dürfen. (Aufregend!) | |
Im taz Café angekommen setzte ich mich an einen Tisch, an dem schon zwei | |
Praktikant:innen saßen, die ich vom Sehen her kannte. Ihnen gegenüber | |
zwei weitere Personen ungefähr in meinem Alter. „Ah, seid ihr auch im | |
Praktikum?“, fragte ich, davon ausgehend, sie gehörten zum Wahl-Camp, da | |
ich Gesprächsfetzen über Mietendeckel aufschnappte. | |
„SPD und Volt“, erwiderte die eine, zeigte erst auf ihre Nachbarin und dann | |
auf sich. Ups. Na ja. Anscheinend gehörten die beiden zum Programm, was | |
gleich stattfinden sollte und wofür die Praktikanten als Zuschauer | |
mobilisiert worden waren. | |
Nach dem Politik-Tinder ging die Party los. Jedenfalls legte dann eine | |
DJ:in auf, „Aktivistentechno“, wie mein Kollege aus dem Inlandressort die | |
Musik nannte. Nach ein paar Tanzversuchen auf einer viel zu leeren | |
Tanzfläche standen wir draußen, rauchten und versuchten ein Gespräch zu | |
führen. Je später es wurde, desto mehr Menschen kamen, aber voll wurde es | |
trotzdem nicht. | |
Ich nippte an meiner Limo und schaute mir die Leute genauer an. Henning May | |
lief an uns vorbei, zu einer Gruppe mit Luisa Neubauer und noch ein paar | |
anderen, die ich aber nicht erkannte. Meinem Kollegen zufolge waren aber | |
relativ prominente Journalist:innen und Politiker:innen dabei. | |
Die Leiden eines Kunstinteressierten, dachte ich. Du stehst auf Partys rum, | |
auf denen außer dir jeder jeden kennt. Alle reden enorm eloquent über | |
superwichtige Themen und du stehst daneben, nickst und ziehst nervös an | |
deiner Zigarette, weil du unfähig bist, diese Art von Gesprächen zu | |
führen. Und dann fällt dir auf, dass die Menschen, für die du dich | |
interessierst, schon lange tot sind oder in Büchern leben. Würde ich jetzt | |
aber anfangen über das letzte Buch, das ich gelesen, oder Bild, das ich | |
gesehen habe, zu reden, würde ich wohl nur höfliches Nicken ernten. | |
Wahrscheinlich, überlege ich weiter, denken das alle Kunstinteressierten | |
auf Partys. Dann steht man im schlimmsten Fall nebeneinander und merkt | |
nichts. | |
Doch jetzt aus meiner Deckung zu kriechen und mich am Gespräch über | |
Kunstfernes zu beteiligen konnte ich mir selbst gegenüber auch nicht | |
rechtfertigen. Lieber so, als dass ich mich zu Hause ärgere, mir nicht treu | |
geblieben zu sein. | |
Etwas später, als die Fraktion „gesehen und gesehen werden“ in einer Traube | |
vor dem Eingang versammelt Selfies machte, beschloss ich, dass es Zeit war | |
zu gehen. Irgendwann, dachte ich in der S-Bahn, irgendwann finde ich die | |
richtigen Partys. | |
5 Oct 2021 | |
## AUTOREN | |
Charlotte Eisenberger | |
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