# taz.de -- „Das wird wie Disneyland für dich“ | |
> Wie ist es, auf einem Kreuzfahrtschiff zu arbeiten? Wir haben einen | |
> Komiker und eine Sängerin gefragt | |
Bild: Ein Hauch von Las Vegas: Blick ins Innere der „MSC Seaside“, die 5.30… | |
Protokolle Sarah Mahlberg | |
Wenn ich als Kind im Zirkus war und es kamen die Clowns, dann fand ich das | |
schon immer geil. Ich wollte das selbst machen, habe aber erst Musik auf | |
Lehramt studiert. Bei meinen Eltern stieß es auf nicht allzu großes | |
Verständnis, dass ich Lehramt studiere, um dann Clown zu werden. Aber ich | |
fand es toll, wenn Leute über mich lachen und ich sie von Alltagssorgen ein | |
bisschen ablenken konnte. | |
Zum Kreuzfahrtschiff sind wir im Grunde durch Corona gekommen. Theater | |
hatten zu, Festivals fanden nicht statt, deshalb sind wir im letzten Herbst | |
mit einem Kreuzfahrtschiff drei Wochen auf Tour gewesen. Wir, das sind mein | |
Sohn und ich. Ich arbeite als Clown und mein Sohn als Zauberer. Zusammen | |
sind wir „die Buschs“ zwei clownesque Kunstfiguren. Wir lassen es auf der | |
Bühne schneien, machen Musik mit Flaschen, Luftpumpen oder Wäscheständern | |
und holen uns Zuschauer als Assistenten dazu. Diese enge Zusammenarbeit mit | |
dem Publikum ging in den letzten Monaten nicht, also mussten wir uns etwas | |
Neues ausdenken. | |
Das Kreuzfahrtschiff war im Lockdown einer der wenigen Orte, an denen | |
Kultur noch präsent war. Nicht die ganze Zeit natürlich, aber die Schiffe | |
kehrten früher in den Betrieb zurück als klassische Theater. Wir sind | |
Gastkünstler, ein paar Wochen an Bord, dann wieder am Land unterwegs. Ich | |
kenne eigentlich kaum noch Künstler, die exklusiv nur auf dem Schiff | |
arbeiten. Gebrieft wird man vorher ausführlich an Land. Der Produzent der | |
Show legt zum Beispiel nicht mit ab und instruiert uns vorher so gründlich, | |
dass wir aufs Schiff gehen und im Grunde direkt loslegen können. | |
Wenn man an Bord auftritt, macht es kaum einen Unterschied zum Land. Am | |
selben Abend hat man sich noch an das schwankende Schiff gewöhnt, technisch | |
ist der Theaterraum auf dem Schiff besser ausgestattet als manches Theater | |
an Land. Das Publikum ist so durchmischt, wie wir es von unseren Shows an | |
Land kennen. Mittlerweile sind auch viele junge Leute auf dem Schiff, | |
Kreuzfahrten sind ja längst nicht mehr so teuer, wie man denkt. | |
Leute auf die Bühne holen konnten wir bei unseren Shows nicht, aber wir | |
haben behandschuht Glocken ins Publikum gereicht, um so gemeinsam Musik zu | |
machen. Die ersten Reihen im Theater müssen derzeit leer bleiben, deshalb | |
mussten unsere Gestiken etwas ausladender werden. Das Kreuzfahrtschiff war | |
für uns ein Ort, um an unserer Performance zu feilen und ein bisschen zu | |
experimentieren. Durch die strengen Auflagen war das Publikum deutlich | |
kleiner als sonst, ungefähr 300 Menschen haben uns zugeschaut. Aber | |
zumindest konnten wir auftreten. | |
Das Schiff ist auf jeden Fall ein schöner Arbeitsplatz mit Blick auf die | |
See, aber ich habe da keinen Urlaub gemacht. Tagsüber habe ich Bürokram | |
erledigt, wie an einem ganz normalen Arbeitstag. Ich würde auch nicht nur | |
für den Ausblick und die Erfahrung aufs Schiff gehen. Ich bin zwar | |
Künstler, muss aber auch unternehmerisch denken. Wenn uns Anfragen | |
erreichen, prüfe ich immer, ob das finanziell passt. Und wir müssen die | |
Zeit haben, ein paar Wochen auf See zu sein, meistens sind wir bis zu zwei | |
Jahre im Voraus ausgebucht. | |
Ich mache seit 35 Jahren Shows und habe schon an allen möglichen Orten | |
gearbeitet, auf großen Festivals, in Theatern bis hin zu kleinen | |
Straßenkunstprojekten. Unsere Kunst ist nicht auf Sprache basiert, deshalb | |
können wir überall tournieren. Unseren Sitz haben wir in Erfurt, da waren | |
wir aber vergleichsweise selten auf der Bühne. Das Schiff ist auf jeden | |
Fall nicht der absurdeste Arbeitsplatz für mich. Wir haben auch mal als | |
verrückte Kapitäne in einem Flugzeug performt, während dieses von Stuttgart | |
in die Tschechei flog. Eigentlich fällt mir kein Umfeld ein, wo wir noch | |
nicht aufgetreten sind. Wir werden aber auch nicht zum letzten Mal auf See | |
gewesen sein. Jetzt im Herbst geht es schon wieder los für uns. | |
Bernd Busch, Clown, ist Teil des Komikerduos „die Buschs“ und wohnt, wenn | |
er nicht auf Tournee ist, in Erfurt. | |
Zum ersten Mal habe ich 2011 auf einem Schiff gearbeitet. Fünf Monate war | |
ich unterwegs und bin abends als Sängerin aufgetreten. Zum Glück werde ich | |
nicht leicht seekrank. Wenn viel Wellengang war, habe ich mich aber auch | |
mal komisch gefühlt, vor allem auf Luxusdampfern, die kleiner sind und | |
stärker schaukeln. Die Zeit an Bord war anstrengend, weil ich jeden Tag | |
gearbeitet habe, ohne Wochenende. Das kannte ich vom Land nicht, da hatte | |
ich montags und dienstags frei. | |
Ich habe aber auch tolle Erfahrungen gemacht. Auf so einem Schiff arbeiten | |
Menschen aus circa 50 Nationalitäten. Die lernt man so eng kennen wie | |
andere Menschen im ganzen Leben nicht. Fünf Monate lang haben wir uns jeden | |
Tag gesehen und viel von uns preisgegeben. Wenn man Kabine an Kabine wohnt, | |
kann sich niemand verstecken. Ich habe in dieser Zeit Freunde fürs Leben | |
gefunden, in Brasilien, Italien, mit denen ich heute noch mit am engsten | |
befreundet bin. | |
Weil ich so lange mitgefahren bin, hatte ich Crew-Status. An Bord | |
herrschten schon krasse Hierarchien damals, Crewmitglieder sollten in ihrer | |
Freizeit zum Beispiel nicht mit Gästen abhängen. Aber die Arbeit mit dem | |
Ensemble war auch toll. Ich hatte jeden Tag Show mit Riesenbühnenbild, | |
tollen Kostümen und einfach einer wahnsinnigen Ausstattung an Bord. Eine | |
Zeit lang bin ich immer wieder mal für fünf Monate an Bord gegangen. | |
Dass ich das mal ausprobieren wollte, wurde mir eigentlich schon in meinem | |
Musical-Studium klar, weil ich immer gerne gereist bin. Als Künstlerin auf | |
dem Schiff geht es einem ziemlich gut. Tagsüber hat man frei, kann | |
rausgehen, sich die Welt angucken, abends ist Show. Andere Crewmitglieder | |
haben nicht so viel von der Welt gesehen wie ich, die haben stellenweise | |
vierzehn Stunden am Tag geackert, da war ich auf jeden Fall privilegiert. | |
Trotzdem habe ich es dann viele Jahre nicht mehr gemacht. Ein Grund war, | |
dass so lange Verträge mit einem parallelen Künstlerdasein an Land schwer | |
vereinbar waren. Nach fünf Monaten auf See nach Hause zurückzukehren, ist | |
schwierig. In einem Job, in dem man netzwerken muss, so lange weg zu sein, | |
bedeutet, immer wieder von vorne anfangen zu müssen. Alle Bands und | |
Musikpartner haben sich nach so langer Zeit schon etwas Neues gesucht, ich | |
war monatelang bei keinen Castings und Auditions und musste immer wieder | |
neu connecten. Deshalb die Frage: Will ich immer auf See arbeiten oder | |
lasse ich es ganz? | |
Auf dem Schiff ist es toll, dass die Leute immer wieder kommen, deine Shows | |
schon kennen und allgemein eine größere Vertrautheit herrscht. Aber | |
natürlich zahlen sie nicht extra Eintritt dafür, sondern bekommen das | |
Angebot vorgesetzt und gehen entweder hin oder nicht, das spürt man in der | |
Erwartungshaltung der Gäste. | |
Ich habe mich dann für einige Jahre für die Arbeit an Land entschieden, | |
auch weil ich die Kreuzfahrten mit meinem Klimabewusstsein nicht mehr | |
vereinbaren konnte. Eigentlich möchte ich einen so kleinen Fußabdruck wie | |
möglich hinterlassen. Inzwischen fahre ich aber wieder mit. Die Schiffe, | |
mit denen ich heute fahre, sind alle brandneu und stoßen deutlich weniger | |
Emissionen aus als früher. Das ist schon mal ein Schritt in die bessere | |
Richtung. Und es war während der Pandemie lange Zeit die einzige | |
Möglichkeit für mich, wieder auf einer Bühne zu stehen. Künstlerisch war | |
lange Zeit nichts mehr super an Land. | |
Neu sind außerdem die Gastverträge, mit denen ich nur einige Wochen an Bord | |
mitfahre und die mit meinen Aufträgen an Land besser vereinbar sind. Die | |
gab es vor Corona nur für Superstars wie Helene Fischer, heute ist es die | |
Regel. Für mich ist das toll, weil ich als Popschlagersängerin auch | |
Solo-Programme machen kann. Früher hatte ich Ensembles und Tänzer an meiner | |
Seite. Denen wurde pandemiebedingt gekündigt, insofern machen die | |
Gastverträge die Lage vieler Künstler auch einfach prekärer. Für mich als | |
Sängerin ist sie deutlich besser. Ich mache meine eigene Mucke an Bord, | |
aber auch ein Judy-Garland-Programm, singe Evergreens der 50er bis 70er und | |
will in Zukunft auch mit einem Magier zusammenarbeiten. Da werde ich Queen | |
oder Sarah Connor singen, habe also viel Variation. | |
Auch in so kurzer Zeit konnte ich Freundschaften schließen. Die Künstler | |
sind gerade einfach froh und dankbar, nach so langer Zeit wieder auf einer | |
Bühne stehen zu können. Das Ellenbogengehabe von früher ist weitgehend | |
weggefallen und alle waren sehr weich zueinander. Mein Kollege war in | |
dieser Zeit zum ersten Mal auf einem Kreuzfahrtschiff. Ich habe ihm vorher | |
gesagt: „Das wird wie Disneyland für dich.“ Und tatsächlich war es die | |
komplette Reizüberflutung für ihn. Zauberer, Restaurants, Spa, ein Pool, | |
noch ein Pool, Yogakurse, Sportarena, Vorträge über Nautik oder die | |
Länder, die man besucht. All das kann schon ziemlich überwältigend sein, | |
wenn man das nicht kennt. Manche Leute sind aber auch richtig | |
kreuzfahrtsüchtig und kommen immer wieder. Es ist halt bequem, alles vor | |
der Nase zu haben. Und man sieht viele Orte und nicht nur einen. Das ist | |
vielleicht auch ein deutsches Ding, Länder so abhaken zu wollen. | |
Privat auf Kreuzfahrt gehen, würde ich trotzdem nicht mehr. Ich kenne jetzt | |
die Arbeit hinter den Kulissen. Da ist der Zauber verloren. | |
Karina Klüber, 33, ist Sängerin, Schauspielerin und Sprecherin und wohnt in | |
Berlin | |
25 Sep 2021 | |
## AUTOREN | |
Sarah Mahlberg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |