| # taz.de -- Erst Klärwerk, dann die ganze Stadt | |
| > Ein Festival für elektronische Tanzmusik in Oldenburg möchte Barrieren | |
| > auch für andere Kreative abbauen | |
| Bild: Aufräumen für die Kultur | |
| Von Lea Terlau | |
| Der Name ist ein Versprechen: Noch bis Sonntag findet in Oldenburg das | |
| Festival „Ein Außergewöhnliches Ereignis“ (EAE) für elektronische Tanzmu… | |
| statt. Die vom Verein Freizeitlärm organisierte Veranstaltung ist Teil | |
| einer größeren Reihe, den „Oldenburger Klappstuhltagen“, die neben Musik | |
| auch Performances und andere Kunstprojekte präsentieren. | |
| Das EAE findet dieses Jahr zum ersten Mal statt und bespielt gleich einen | |
| besonderen Ort: Versteckt zwischen Industriehallen und Bahnschienen liegt | |
| ein stillgelegtes Klärwerk am Wasser. Alles ist zugewachsen, die Natur hat | |
| sich den Ort zu eigen gemacht. Gerade wird noch unermüdlich daran | |
| gearbeitet, das Areal wieder zu einem begehbaren Ort zu machen, an dem | |
| kulturelle Veranstaltungen stattfinden können. Und das nicht nur für dieses | |
| Wochenende. Denn zum geförderten Konzept gehört auch, das alte Klärbecken | |
| und die drumherumliegende Fläche dauerhaft nutzbar zu machen – oder es | |
| wenigstens zu versuchen. | |
| Doch nicht nur der unwegsame Ort, auch das Programm ist ambitioniert. | |
| Während die absolute Mehrheit der Musikfestivals noch immer von weißen, | |
| cis-männlichen DJs dominiert werden, bleiben FLINTA* und BPoC DJ*anes | |
| strukturell ausgeschlossen. Das möchte Freizeitlärm ändern: Dem Verein ist | |
| wichtig, DJ*anes, welche nicht dieser Norm entsprechen, einen Raum zu | |
| bieten. | |
| Ein Blick aufs Programm mit DJ*anes wie Bebetta, Oliver Huntemann, Acid | |
| Pauli und Katzenohr zeigt erste Erfolge, kann aber nicht darüber | |
| hinwegtäuschen, wie sehr auch alternative Musikkultur von weißen Personen | |
| dominiert wird. Gute und wichtige Ansätze sind vorhanden, jedoch sollte | |
| nicht bei einer Gleichstellung von Geschlechterverhältnissen | |
| stehengeblieben werden, sondern auch andere Faktoren miteinbezogen werden – | |
| in den eigenen Strukturen und auch beim Booking. | |
| Weil die Organisation solcher Veranstaltungen und die Arbeit mit Vorgaben | |
| verschiedener Ämter nicht immer ganz einfach ist, möchte der Verein | |
| Freizeitlärm in Zukunft versuchen, bestehende Strukturen sichtbar zu machen | |
| und so bessere Zugänge für Kulturschaffende zu ermöglichen. Wollte die | |
| Politik solchen Initiativen entgegenkommen, könnte es auf kulturpolitischer | |
| Ebene lohnen, sich das Freiluftpartygesetz aus Bremen zum Vorbild zu | |
| nehmen: Öffentliche Flächen sind in Bremen für Freiluftpartys grundsätzlich | |
| nutzbar. Und wo es doch mal nicht geht, werden die Orte ausdrücklich | |
| ausgeschlossen. Auch die Anforderungen an die Veranstalter*innen | |
| lassen sich schnell recherchieren. Die Kommunikation läuft über | |
| Ansprechpartner*innen, die verbindlich für die Veranstaltenden zuständig | |
| sind. | |
| Solch eine Grundlage wäre auch für die Nutzung der Oldenburger Freiflächen | |
| erfreulich, denn wie nicht nur EAE zeigt, gibt es davon eine ganze Menge – | |
| auch wenn sie nicht immer auf den ersten Blick erkennbar sind. Der Verein | |
| Freizeitlärm steht beispielhaft für eine Kulturszene, die gemeinsam nach | |
| neuen Konzepten für ihre Veranstaltungen sucht und niedrigschwellige | |
| Zugänge schaffen will. Und die beschäftigen sich auch unter den | |
| zugespitzten Coronabedingungen derzeit sehr produktiv mit den großen, alten | |
| Fragen: Wie können wir uns den Stadtraum aneignen? Wie kann eine | |
| solidarische und vielfältige Kulturlandschaft aussehen? Und wer hat | |
| überhaupt das Privileg, Kultur veranstalten zu können? | |
| „Ein außergewöhnliches Ereignis“: bis So, 12. 9., Holler Landstraße 15, | |
| Oldenburg | |
| 11 Sep 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Lea Terlau | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA |