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# taz.de -- berliner szenen: Die einzigen ohne Radlerhosen
Wir waren im Theater. In der Produktion spielte meine Nachbarin mit. Nichts
Feministisches, hatte sie gesagt, aber am Ende waren es doch nur Frauen und
alle oben ohne. „Ist das denn automatisch feministisch?“, fragte mein
Freund. „Ich weiß es nicht“, sagte ich. „Frauen oben ohne kann alles sei…
Feminismus. Porno.“ „Ich fand die Kostüme langweilig“, sagte mein Freund.
„Trotz der Brüste.“ „Ich auch, aber Respekt für neunzig Minuten ohne BH…
dem Trampolin.“ „Warum haben alle immer so Grimassen geschnitten?“ „Ich
weiß es nicht. Wir hätten in der Pause gehen sollen.“ „Es gab doch gar
keine Pause.“
Auf dem Rückweg dann die eigentliche Show in der U-Bahn. Neben uns ein
junger Franzose, zarte Schultern, zarte Wangen, alles an ihm irgendwie
zart, er trägt eine Art Kettenhemd aus weißem Samt, eine grüne Jacke mit
goldenen Troddeln an den Schultern. Auf dem Kopf eine wippende Mütze aus
Filz, über der Schulter eine lederne Tasche. „Wie eine Mischung aus Mönch
und Jäger aus dem 18. Jahrhundert“, flüstert mein Freund.
Am Hermannplatz steigen zwei Frauen ein, schwarze Tops, tätowiert bis an
die Zähne, überall Nieten, dahinter eine Gruppe Männer mit identischen
schwarzen Hosen und Tennissocken, blasslila Fingernägel. Nichts, was man
nicht schon gesehen hätte, dennoch, so geballt wirkt es wie ein
Schaulaufen. „Gefällt mir besser als die Kostüme deiner Nachbarin“, sagt
mein Freund. „Mir auch“, sage ich. „Aber ist dir aufgefallen, dass wir die
einzigen im Abteil sind ohne Radlerhose?“ Er blickt sich um.
„Bemerkenswert.“ „Dein Vater wird sich freuen“, sage ich, „jahrelang
peinlich im Harz geradelt und jetzt in Neukölln endlich im Trend.“ „Hätte…
du auch gern eine?“ Ich denke kurz an die Neunziger. „Nein“, sage ich,
„dann lieber oben ohne.“
Eva Mirasol
21 Sep 2021
## AUTOREN
Eva Mirasol
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