# taz.de -- heute in bremen: „Ich finde die Technologie faszinierend“ | |
Interview Pia Tönnissen | |
taz: Herr Rau, warum haben Sie für Ihren neuen Dokumentarfilm den Titel | |
„Atomkraft forever“ gewählt? | |
Carsten Rau: Der Rückbau des Atomkraftwerks Greifswald, in dem wir gedreht | |
haben, hat schon 1994 angefangen. Die Dekontaminierung der verstrahlten | |
Ruine soll bis 2028 fertig sein, aber der Atomschrott dort wird mindestens | |
bis 2080 im Zwischenlager bleiben. Das klingt für mich ziemlich nach | |
„forever“. | |
Wen haben Sie für den Film interviewt? | |
Durchweg Leute, die in der Nuklearindustrie arbeiten, oder für den | |
Rückbau, Nachbar*innen von Atomkraftwerken und Leute, die sich | |
wissenschaftlich damit beschäftigen, ein mögliches Endlager für den | |
Atommüll zu finden. Wir haben bewusst auf Expert*innen verzichtet, die | |
Konflikte auf einer analytischen Ebene beschreiben. Für mich ist | |
Dokumentarfilm ein beobachtendes Genre. | |
Was waren die Herausforderungen? | |
Die Drehgenehmigungen. Um mit den Dreharbeiten in einem französischen | |
Kernforschungszentrum zu beginnen, haben wir zwei Jahre gebraucht. Aber | |
auch einzelne Gespräche waren herausfordernd; beispielsweise das mit einem | |
Nuklearingenieur, dessen Leben die Kernenergie ist. Er soll sich natürlich | |
im Gespräch wiederfinden – als Mensch und als Nuklearingenieur. Die meisten | |
in Frankreich und in Deutschland wissen aber, dass sich die deutsche | |
Öffentlichkeit und Mediensicht eher kritisch mit Kernenergie | |
auseinandersetzen. Trotzdem wollten wir transparent bleiben und uns mit | |
allen Perspektiven auseinandersetzen. | |
Welche Erwartungen hatten Sie vorher? | |
Vor Beginn der Dreharbeiten war mir nicht klar, was für Dimensionen der | |
Rückbau eines Atomkraftwerks hat. Erst bei den Dreharbeiten habe ich | |
verstanden, wie viel Zeit, Aufwand und Geld dafür notwendig sind – in | |
absurden Dimensionen. Das ist ein entscheidendes Argument gegen die | |
Kernenergie. | |
Warum haben Sie zu dem Thema einen Film gedreht? | |
Zum einen, weil mir nicht klar war, was der Entschluss zum Rückbau | |
bedeutet. Aber ich wollte auch sehen, was im restlichen Europa der Grund | |
dafür ist, dass manche Staaten an diesem für mich gescheiterten Traum der | |
Atomkraft noch festhalten. Seit meiner Kindheit interessiere ich mich | |
dafür: Meine Mutter war in Brokdorf Demonstrantin gegen Atomkraft. Debatten | |
um Kernindustrie sind Teil meiner politischen DNA geworden. | |
Hat sich Ihre Position zur Atomkraft durch den Film geändert? | |
Nein, ich finde zwar die Technologie und die Ingenieursleistung, solche | |
Reaktoren zu betreiben, faszinierend. Das ist schon eine erstaunliche | |
Leistung. Ich bezweifle aber, dass es sinnvoll ist, diese mächtige Energie | |
zu entfesseln, bloß um Wasser heiß zu machen. | |
20 Sep 2021 | |
## AUTOREN | |
Pia Tönnissen | |
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