# taz.de -- taz🐾thema: Das letzte Hemd hat keine Taschen | |
> Die Anzahl der Menschen, die mit ihrem persönlichen Nachlass etwas | |
> Sinnvolles tun wollen, steigt. Erblassende sollten sich schon zu | |
> Lebzeiten darum kümmern und bei Interesse zu vertrauenswürdigen | |
> Organisationen Kontakt aufnehmen | |
Von Volker Engels | |
Ob Immobilienbesitz, ein Bankkonto oder Aktiendepot: Erbschaften sind für | |
die Arbeit gemeinnütziger Organisationen und Stiftungen eine wichtige | |
Finanzierungsquelle. Während sich die Geldspendeneinnahmen gemeinnütziger | |
Organisationen und Stiftungen in zehn Jahren zwischen 2002 und 2013 nur um | |
rund 30 Prozent gesteigert haben, sind die Einnahmen aus Nachlässen um 250 | |
Prozent gestiegen. Und dieser Trend setzt sich bis heute weiter fort. | |
Klug beraten ist, wer vor dem eigenen Tod darüber entscheidet, wer in den | |
Genuss des Vermögens oder der Ersparnisse kommt. 2013 konnten sich nach | |
einer repräsentativen GFK-Studie 11 Prozent der über Fünfzigjährigen | |
vorstellen, mit dem Erbe einen guten Zweck zu unterstützen. Heute liegt der | |
Anteil dieser Menschen sogar bei rund 28 Prozent. | |
„Wer sich schon zu Lebzeiten für solche Projekte engagiert hat, will oft | |
auch über den Tod hinaus mit dem Nachlass einen Beitrag dazu leisten, dass | |
mit dem eigenen Vermögen Sinnvolles geschieht“, sagt Susanne Anger, | |
Sprecherin der Initiative „Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum“. 22 | |
Stiftungen und gemeinnützige Organisationen haben sich in der Initiative | |
mit Sitz in Berlin zusammengeschlossen. | |
Die Mitgliedsorganisationen haben ein Erbschaftssiegel mit „klaren | |
ethischen Richtlinien“ als Selbstverpflichtung entwickelt, das potenziellen | |
Erblassenden Sicherheit für ihre Entscheidungen bei möglichst großer | |
Transparenz geben soll. Organisationen, die das Siegel tragen wollen, | |
verpflichten sich unter anderem, „keinen direkten oder indirekten, | |
moralischen oder sozialen Druck“ auszuüben und „die individuellen Wünsche | |
sorgfältig und professionell zu bearbeiten“. | |
Immerhin geht es um viel Geld: Die meisten Nachlässe bewegen sich in einer | |
Spanne zwischen 20.000 und 300.000 Euro, sagt die Sprecherin. „Das kleine | |
Haus in Gelsenkirchen, das vor vielen Jahren für 50.000 Mark gekauft wurde, | |
kann heute 400.000 Euro wert sein.“ Auch kleinere Erbschaften von einigen | |
hundert Euro seien willkommen, weil sich auch damit „kleinere Aktionen ins | |
Rollen bringen lassen“. | |
Wichtig sei es, vertrauenswürdige Organisationen oder Stiftungen zu finden, | |
die den Nachlass im gewünschten Sinne für ihre Arbeit einsetzten. „Auch wer | |
zehn Mal angerufen hat, um sich beraten zu lassen, ist zu nichts | |
verpflichtet und schuldet niemandem etwas“, sagt Susanne Anger und rät | |
Interessierten, selbstbewusst und transparent über die eigenen Wünsche zu | |
sprechen. „Es ist überhaupt kein Problem, zwei oder drei Organisationen | |
oder Stiftungen im Testament zu bedenken.“ | |
Die gemeinnützigen Organisationen sind auf solche Nachfragen gut | |
vorbereitet, die meisten von ihnen bieten unter dem Stichwort | |
„Testamentsspende“ ausführliche Informationen für Interessierte an. „Wir | |
beobachten ein steigendes Interesse von Menschen, die mit ihrem Erbe Gutes | |
tun wollen“, sagt Marc Herbeck, Ansprechpartner für Erbschaften bei der | |
Deutschen Welthungerhilfe, und ergänzt: „Sein Erbe zu planen ist oft eine | |
sehr emotionale Angelegenheit, für die man sich ausreichend Zeit nehmen | |
sollte.“ Es sei wichtig, „in Ruhe zu überlegen, welche Menschen oder | |
Organisationen einem am Herzen liegen“. | |
Im vergangenen Jahr hat der gemeinnützige Verein rund 5 Millionen Euro von | |
80 Nachlassgebern erhalten, ein Großteil davon waren Vermächtnisse. Etwa | |
ein Drittel hatte vorher Kontakt zur Welthungerhilfe aufgenommen. „Wir | |
merken, dass immer mehr Menschen das Angebot wahrnehmen, sich zu Lebzeiten | |
telefonisch oder im persönlichen Austausch zu informieren.“ Bei diesen | |
Gesprächen stehe auch die Frage im Raum, ob der Nachlass zweckgebunden | |
vermacht werden kann, also zum Beispiel für die Arbeit in einem bestimmten | |
Land. Grundsätzlich sei das möglich, allerdings sei eine sehr enge | |
Zweckbindung wenig sinnvoll, weil sich die weltweiten Prioritäten der | |
Welthungerhilfe ändern können. Wird zum Beispiel eine offenere Formulierung | |
wie „wenn möglich Malawi“ benutzt, könnte das Erbe auch für die Hilfe in | |
anderen Regionen genutzt werden, in denen die Bevölkerung nach einer | |
Naturkatastrophe oder infolge eines kriegerischen Konflikts zeitnah auf | |
Hilfe angewiesen ist. | |
Auch Ansgar Beckervordersandfort, der im Geschäftsführenden Ausschusses der | |
Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) sitzt, | |
empfiehlt, „Wünsche und keine Bedingungen zu formulieren“. Darüber hinaus | |
sei es wichtig, die begünstigte Organisation „konkret und zweifelsfrei“ zu | |
beschreiben. Denn wenn im Testament einfach nur stehe, dass „das Tierheim | |
oder Hospiz“ erben soll, sei das gerade in größeren Städten viel zu | |
allgemein gehalten. „Am einfachsten ist es, die gemeinnützigen | |
Organisationen anzusprechen und konkret nachzufragen, welche Daten im | |
Testament vermerkt werden sollten“, so der Fachanwalt für Erbrecht weiter. | |
Grundsätzlich reicht ein handschriftlich verfasstes und unterschriebenes | |
Testament aus, um den letzten Willen zu bekunden. Eine notarielle oder | |
anwaltliche Beratung kann aber dazu beitragen, formale Fehler oder | |
unscharfe Formulierungen im Testament zu vermeiden und eine größere | |
Rechtssicherheit herzustellen. Auch ein notariell beglaubigtes Testament | |
lässt sich in der Regel ohne Probleme wieder ändern. | |
Generell sei es empfehlenswert, noch zu Lebzeiten mit Angehörigen über | |
Erbschaftspläne zu sprechen, so Beckervordersandfort: „Viele Menschen | |
wollen ihre Kinder oder andere Verwandte bedenken, aber zusätzlich auch | |
gemeinnützigen Organisationen etwas für einen sinnvollen Zweck zukommen | |
lassen.“ | |
mein-erbe-tut-gutes.de | |
11 Sep 2021 | |
## AUTOREN | |
Volker Engels | |
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