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# taz.de -- tazđŸŸthema: Erben ohne Trauschein
> Ehepartner:innen sind durch das Erbrecht juristisch abgesichert. Ganz
> anders aber sieht das in Partnerschaften ohne Trauschein aus
Von Cordula Rode
Aus der einstigen „wilden Ehe“ ist in den letzten Jahrzehnten eine normale
und sehr hÀufige Form des Zusammenlebens geworden: Fast 3 Millionen Paare
in Deutschland verzichten auf einen Trauschein. Was im Alltag meist
unproblematisch lÀuft, kann allerdings im Sterbefall gravierende Folgen
haben: Das deutsche Erbrecht sieht keinerlei Absicherung fĂŒr den
hinterbliebenen Partner oder die Partnerin vor. Eine gesetzliche Erbfolge
wie bei verheirateten Paaren existiert nicht, auch ein Pflichtteil ist
nicht vorgesehen. Nicht einmal ein Anrecht auf persönliche GegenstÀnde oder
ein Mitspracherecht bei den Bestattungsfeierlichkeiten sind gesetzlich
festgelegt.
Claus-Henrik Horn, Fachanwalt fĂŒr Erbrecht in DĂŒsseldorf, kennt alle
Facetten dieser Situation, in der sich die Hinterbliebenen oft völlig
unerwartet wiederfinden: „Besonders bei jĂŒngeren Paaren, wenn die Eltern
des verstorbenen Partners noch leben, können die Folgen existenzbedrohlich
werden.“ Bei unverheirateten Personen ohne Kinder stehen die
„Schwiegereltern“ an erster Stelle der Erbfolge. Da ist dann der mögliche
Streit um Fernseher oder Haustier noch das vergleichbar kleinere Übel –
ganz andere Dimensionen hat der mögliche Rauswurf aus der gemeinsam
bewohnten Immobilie. Denn selbst wenn diese gemeinsam erworben wurde und
beide Partner*innen im Grundbuch stehen, geht der Anteil der
verstorbenen Person an die gesetzlichen Erben. „Kann man sich gĂŒtlich
einigen, erhÀlt der hinterbliebene Partner den Anteil gegen eine moderate
Zahlung an die Erben“, so Claus-Henrik Horn. „LĂ€uft es nicht gut, kann es
in der Zwangsversteigerung enden.“
Nicht viel einfacher wird es, wenn bei Älteren die nicht gemeinsamen
leiblichen Kinder aus frĂŒheren Partnerschaften erben. Und richtig
kompliziert wird es zum Beispiel, wenn diese Kinder noch nicht volljÀhrig
sind und die gesetzliche Vertretung Partner:in aus unharmonisch beendeten
Beziehungen ist. Ist eine frĂŒhere Ehe nicht geschieden worden, erbt
automatisch auch der/die Ehepartner:in.
Die einzige Möglichkeit fĂŒr unverheiratete Paare, diese zahlreichen
möglichen Komplikationen zu verhindern, ist die entsprechende juristische
Vorsorge zu Lebzeiten. Ein gemeinsames Testament wie bei Eheleuten ist aber
in diesem Falle nicht möglich: Jede:r der Partner:innen muss ein
eigenes Testament aufsetzen. Nachteil: Beide können eigenmÀchtig und ohne
Kenntnis des anderen den letzten Willen zu jedem Zeitpunkt Àndern.
Verbindliche Absicherung ist auf diesem Wege also nicht möglich.
„Die sicherste Vorsorge fĂŒr den Erbfall ist bei unverheirateten Paaren ein
notarieller Erbvertrag“, erklĂ€rt Claus-Henrik Horn. Ein solcher Vertrag
ermöglicht die genaue Regelung von Erbfolge und Wohnrecht und bindet beide
Personen, ohne die Möglichkeit einseitiger nachtrĂ€glicher Änderungen, an
die festgelegten Inhalte. Auch eine mögliche Trennung kann diesen Vertrag
nicht aushebeln – allerdings sollte das Paar diesbezĂŒgliche Klauseln in den
Vertrag aufnehmen. Besonders fĂŒr Patchwork-Familien, in denen oft jeder
leibliche Kinder hat und zusÀtzlich eventuell gemeinsame Kinder in der
Erbfolge sind, empfiehlt sich die genaue Festlegung der Erbfolge unter
BerĂŒcksichtigung der Reihenfolge des Versterbens.
Kann man individuelle Testamente privat verfassen, so muss ein solcher
Erbvertrag immer notariell beurkundet werden. Er wird anschließend beim
zustÀndigen Nachlassgericht amtlich verwahrt und beim Zentralen
Testamentsregister registriert, was im Übrigen auch bei handschriftlichen
Testamenten möglich ist. Die NotargebĂŒhren fĂŒr einen Erbvertrag hĂ€ngen
dabei von der Höhe des gemeinsamen Vermögens ab. Liegt dieses bei 100.000
Euro, können circa 700 Euro GebĂŒhr anfallen, bei 500.000 Euro sind es rund
2.300 Euro.
Und nicht nur hier kann es fĂŒr Unverheiratete teuer werden, weiß der
Fachanwalt: „Eheleute haben bei der Erbschaftsteuer wesentlich höhere
FreibetrĂ€ge als unverheiratete Partner.“ Können Ehegatten 500.000 Euro
steuerfrei erben, so sind es bei unverheirateten Hinterbliebenen gerade mal
20.000 Euro – denn fĂŒr das Gesetz sind sie auch hier Fremde. Was oberhalb
des Freibetrages liegt, muss mit 30 bis 50 Prozent versteuert werden. Die
gleichen SteuersÀtze fallen auch bei Schenkungen zu Lebzeiten an.
Die einzige gesetzliche Regelung bezĂŒglich des Todesfalles in
Partnerschaften ohne Trauschein, die gegenĂŒber Eheleuten nicht nachteilig
ist, findet sich im Mietrecht: Auch wenn nur die oder der Verstorbene im
Mietvertrag steht, geht dieser im Todesfall an die hinterbliebene Person
ĂŒber, sofern beide in der Wohnung ihren gemeinsamen Hausstand hatten.
Die Unwissenheit ĂŒber die fehlenden Rechte unverheirateter Paare kann aber
auch bereits vor dem Todesfall dramatische Folgen haben. So kann eine
fehlende Vorsorgevollmacht dazu fĂŒhren, dass der oder die Partner:in im
schweren Krankheitsfall nicht einmal das Recht auf Àrztliche Auskunft hat,
geschweige denn die Befugnis, im Sinne der erkrankten Person medizinische
Entscheidungen zu treffen. Dies kann im schlimmsten Fall dazu fĂŒhren, dass
statt des Partners oder der Partnerin durch das Amtsgericht eine
gesetzliche Betreuung eingesetzt wird und eine völlig fremde Person ĂŒber
die Belange des geliebten Menschen entscheidet.
Durch eine entsprechende Vorsorgevollmacht lĂ€sst dies sich verhindern –
darĂŒber hinaus sollte jeder der Partner eine PatientenverfĂŒgung verfassen,
die den eigenen Willen bezĂŒglich lebensverlĂ€ngernder Maßnahmen festlegt.
Auch eine BestattungsverfĂŒgung ist sinnvoll und sollte zusĂ€tzlich zum
Erbvertrag gesondert verfasst werden, da Letzterer oft erst Wochen nach dem
Todesfall vom zustÀndigen Nachlassgericht eröffnet wird. In einer solchen
VerfĂŒgung werden die WĂŒnsche zur Bestattungsfeier, Beerdigung und
GrabstÀtte festgelegt.
11 Sep 2021
## AUTOREN
Cordula Rode
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